Je genauer eine OP durchgeführt wird, umso besser wird das Ergebnis. Das gilt erst recht, wenn es um solch empfindliche Strukturen wie die Wirbelsäule geht. Im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Trier operieren die Chirurgen deshalb mit Unterstützung von Navigationssystemen.
Die Gratwanderung des Operateurs besteht oft darin, dass er das Rückenmark nur vor Schaden bewahren kann, wenn er ihm so nah kommt, dass er Gefahr läuft, es dabei zu schädigen. "Genau dieses Risiko können wir minimieren, indem wir die Wirbelsäule in allen drei Dimensionen abbilden, sodass der Operateur genau weiß, wo welche Strukturen anfangen und wo sie enden", erklärt Christian Höfner. Erreicht wird dies durch den Einsatz eines mobilen 3-D-Röntgengeräts und eines infrarotgesteuerten Navigationssystems.
Der Diplom-Ingenieur und Medizintechniker bedient diese technischen Hilfen während der OP. "Dank Christian Höfner können wir uns voll auf die Operation konzentrieren", erklärt Professor Dr. Martin Bettag, Chefarzt der Neurochirurgie.
Welche Vorteile das Navigationssystem für das Wirbelsäulenzentrum Trier bietet, zeigt das Beispiel der Jefferson-Fraktur, bei der der Atlas, der erste Halswirbel, mehrfach gebrochen ist (siehe mehr dazu ab Seite 6). Oberarzt Dr. Andy Ottenbacher setzte bei dem Patienten, bei dem der Atlaswirbel in vier Bruchstücke geborsten war, je eine Schraube in die beiden seitlichen Bruchstücke ein und verband diese mit einer Querstrebe. "Ohne die 3-D-Navigation wäre das Risiko, das Rückenmark oder die Vertebralarterie zu verletzen, deutlich erhöht", erklärt er.
Technisch funktioniert das Navigationssystem ähnlich wie Infrarotsensoren von Videospielen - nur viel genauer. Zunächst öffnet der Chirurg die Haut, schiebt das Gewebe beiseite und bringt an einem gesunden Wirbel oder am Schädel ein Referenzsystem mit vier Infrarotpunkten an. "Daran wird sich das Navi für den Rest der OP orientieren", so Höfner. Wurde die Referenz fixiert, macht ein mobiles 3-D-Röntgengerät binnen etwa einer Minute 110 Bilder der betroffenen Wirbel aus verschiedenen Positionen. Aus diesen Daten erstellt die Software eine dreidimensionale "Landkarte" der fraglichen Stelle.
Auf einem viergeteilten Bildschirm kann sich der Operateur den Knochen nun aus unterschiedlichen Blickwinkeln und in mehreren Schichten anschauen. Jetzt werden die Operationsinstrumente mit dem Infrarotsystem gekoppelt. Auf dem Bildschirm ist zu jedem Zeitpunkt genau zu sehen, an welcher Stelle und in welcher Position sich das Instrument befindet. "Das Beispiel zeigt uns den immensen Wert dieser Technologie", sagt Dr. Andy Ottenbacher und ergänzt: "Sie bedeutet einerseits mehr Sicherheit bei alltäglichen Eingriffen, sie ermöglicht uns aber auch Operationen, bei denen das Risiko ohne das Navigationssystem sehr hoch wäre."
Foto: André Lossel