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Dr. Peter-Felix Ruelius03.06.2023

Organspende: Lebenswichtig

Anderen Menschen ein gutes Leben ermöglichen

Der Tag der Organspende, der in ganz Deutschland jährlich am ersten Samstag im Juni stattfindet, hat ein eingängiges Motto: Richtig. Wichtig. Lebenswichtig. Diesem Motto wird keiner widersprechen. Auch die grundsätzliche Bedeutung der Organspende unterstützt ja fast jeder als lebenswichtige Möglichkeit der Medizin, Menschen eine Chance auf ein „zweites Leben“ zu geben, wie es Betroffene oft formulieren.

Sollte man meinen. Die Zahlen sprechen ja leider eine andere Sprache. Seit dem starken Einbruch vor rund zehn Jahren und dem Tiefpunkt im Jahr 2017 hat sich die Situation kaum gebessert. 2022 war noch einmal ein Rückgang der Bereitschaft zur Organspende zu verzeichnen. Die Organspenden gingen um rund 7 Prozent zurück. Das bedeutet an einem konkreten Beispiel, dass 2021 knapp 2.000 Nierentransplantationen in Deutschland durchgeführt werden konnten, allerdings standen auf der Warteliste rund 6.500 Personen. Und diese Schere zwischen Organspenden und Wartenden geht weiterhin massiv auseinander. Im Jahr 2022 standen schon rund 8.700 Menschen auf der Warteliste für eine Spenderniere. 8.700 Menschen, die mit schwersten Einschränkungen leben müssen, deren Lebenserwartung sich verkürzt und die fortwährend in dem anstrengenden Zwischenraum von Hoffnung und Enttäuschung leben, deren Angehörige mit ihnen täglich bangen und warten.

Der Wille möglicher Spender ist oft unbekannt

Noch eine Zahl – und die ist besonders schwer zu ertragen: Wenn eine Organspende bei einem potenziellen Spender nicht zustande kommt, also bei einem Patienten, der für eine Organspende in Frage kommt, weil sein Gehirn nicht mehr am Leben ist (Hirntod), dann liegt das nur in weniger als einem Viertel der Fälle daran, dass dieser Mensch in gesunden Zeiten ausdrücklich erklärt hat, dass er das nicht will. Bei mehr als 75 Prozent der Fälle liegt es daran, dass Angehörige die Vermutung äußern, es sei nicht im Sinne des Verstorbenen, Organe zu spenden oder sie kennen die Einstellung des Verstorbenen gar nicht und lehnen dann aus eigener Überzeugung eine Organspende ab. Also: ein großes Hindernis für erfolgreiche Organspenden ist nicht die bekannte Entscheidung von potenziellen Spendern gegen eine Organspende, nein: Ihre Angehörigen können einfach nichts über deren Haltung oder Willen sagen.

„Lieber nicht. Dann machen wir auch nichts falsch. Man weiß ja nicht.“ Doch: Man weiß – man weiß dass die Regelungen zur Organspende in Deutschland mit höchster Zuverlässigkeit sicherstellen, dass Organe nur bei Menschen entnommen werden, die tatsächlich hirntot sind. Bei diesen Menschen besteht keine Chance mehr auf ein Überleben. Und man weiß, dass die Prozesse zur Organentnahme und zur Zuteilung höchst sorgfältig und höchst transparent organisiert sind.

Über Organspende reden

Und warum finden sich dann doch relativ wenige Organspender bei uns? Eine Vermutung ist, dass eben viele Menschen sich mit diesem Thema nicht beschäftigen wollen. Schon verständlich: Auch das Ausfüllen eines Organspendeausweises bedeutet ja, dass wenigstens für einen Moment die abstrakte Möglichkeit eines Unfalls oder einer tödlichen Erkrankung konkret wird. Das ist unbequem. Aber die Vorsorge für den (unwahrscheinlichen) Ernstfall hat auch etwas mit Entlastung aller Angehörigen zu tun: Ich will sie nicht in die Situation bringen, in diesem Ernstfall mit einer Entscheidung überfordert zu sein. Ich will, dass sie wissen, was ich selbst wichtig finde. Und der wichtigste Weg dabei ist: Reden. Das ist nicht so schwer. Einmal oder immer wieder einmal darüber reden: Was hältst du eigentlich von Organspende? Was würdest du tun, wenn? Die Menschen, die mir wichtig sind, will ich auch so gut kennen, dass ich das von ihnen weiß. Und ich will, dass die Menschen, mit denen ich lebe, von mir wissen, ob ich Organspender bin oder nicht.

Widerspruchslösung als Option?

Der Ruf nach besseren Gesetzen ist schnell zur Hand. Ein Vorschlag taucht heute (und auch in den letzten Jahren) wieder auf: Die Widerspruchslösung. Derzeit ist es ja bei uns so: Nur wer ausdrücklich (zum Beispiel durch einen Organspendeausweis) zugestimmt hat, dass er Organspender ist, wird es auch sein. Nur wenn das nicht bekannt ist, müssen die Angehörigen ihre Zustimmung geben – nach dem, was sie über den Verstorbenen wissen oder vermuten. Eine Widerspruchslösung würde heißen: Jeder ist potenziell Organspender. Nur wer das nicht will, muss zu Lebzeiten ausdrücklich widersprechen. Das hat sich in Deutschland nicht durchsetzen können. Und das hat ja auch gute Gründe. Wenn schon für jeden medizinischen Eingriff die ausdrückliche informierte Zustimmung erforderlich ist, dann reicht es doch nicht, wenn man in so einer wichtigen Angelegenheit nach dem Grundsatz verfährt: Wer schweigt, stimmt zu. Und man kann auch vermuten: Nach drei Jahren Pandemie und allen damit verbundenen starken Eingriffen des Staates in die persönliche Lebensgestaltung ist die Stimmung für eine so genannte Widerspruchslösung nicht günstig. So eine Lösung kann leicht als Übergriff des Staates verstanden werden. Und: In anderen Ländern hat sich gezeigt, dass bis zu drei Viertel der Bevölkerung nicht wissen, dass sie ausdrücklich einer Organspende widersprechen müssen, wenn sie diese im Fall ihres Todes verhindern wollen. Das ist ja schließlich auch keine gute Basis.

Organspende geschieht im Geist der Nächstenliebe.

Also: Was bleibt? Immer wieder aufklären, informieren und reden, reden, reden. Mit den Menschen, die mir wichtig sind. Reden und informieren: in Schulen, an Hochschulen, bei Veranstaltungen, in Unternehmen, in den Kirchen. Ja, auch da: Denn es gibt das eine gute Argument, das die Kirchen ja auch gebetsmühlenartig wiederholen: Organspende geschieht im Geist der Nächstenliebe. Durch diese Entscheidung kann ich im Ernstfall einem anderen Menschen Leben ermöglichen. Gutes Leben. Und das kann mir letztlich nicht gleichgültig sein.

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