06.08.2019
Im Rahmen des trägerübergreifenden Fortbildungsprogramms von BBT-Gruppe, Caritas Trägergesellschaft Saarbrücken (cts), Malteser Deutschland, Marienhaus Stiftung, Hildegard Stiftung, Ethik-Institut Vallendar und Kplus-Gruppe, wurde eine Fachtagung gemeinsam vorbereitet und durchgeführt zum Thema: 20 Jahre Ethische Fallbesprechung – wertvolles Instrument, selten genutzt – eine Bestandsaufnahme
Die
Ethische Fallbesprechung, so habe es ihm eine Krankenhausoberin vor wenigen
Tagen erst in einer Mail geschrieben, sei ein wichtiges Instrument, und sie sei
dankbar dafür, dass man mit ihrer Hilfe in der Regel gute und einvernehmliche
Lösungen für die Weiterbehandlung von Patienten finde. Eine andere Oberin habe
dagegen ausdrücklich bedauert, dass es in ihrem Hause kaum noch Ethische
Fallbesprechungen gebe und habe dafür den Personalmangel sowie den zunehmenden
wirtschaftlichen Druck verantwortlich gemacht. Bereits in seiner Anmoderation
machte Georg Beule, der Leiter der Stabsstelle Ethik und Werte der Marienhaus
Stiftung, deutlich, wie ambivalent die Ethische Fallbesprechung gesehen und
gehandhabt wird.
In
deutschen Kliniken gibt es die Ethische Fallbesprechung als strukturierte Form
der Ethikberatung seit rund 20 Jahren. Für sieben katholische Träger, BBT-Gruppe, Caritas Trägergesellschaft Saarbrücken (cts), Malteser Deutschland,
Marienhaus Stiftung, Hildegard Stiftung, Ethik-Institut Vallendar und Kplus-Gruppe, war dies Anlass genug, im Rahmen einer
Fachtagung Ende Juni in Vallendar Bestandsaufnahme zu machen und zu schauen, in
welche Richtung sich die Ethische Fallbesprechung bereits entwickelt beziehungsweise
entwickeln muss, damit sie auch in Zukunft ihre segensreiche Wirkung entfalten
kann.
In
seinem Vortrag erinnerte Prof. Dr. Alfred Simon, er ist Geschäftsführer der
Akademie für Ethik in der Medizin und Professor an der Medizinischen Fakultät
der Universität Göttingen, noch einmal daran, dass die Ethikberatung in Deutschland
vor gut 20 Jahren insbesondere von den konfessionellen Krankenhäusern
angestoßen worden sei. Mittlerweile bietet etwa jedes zweite Krankenhaus
Ethikberatung an. Deren Aufgabe besteht zum einen in der Moderation von
Ethischen Fallbesprechungen; dann in der Entwicklung von Ethischen Leitlinien;
und schließlich in der Durchführung von Ethischen Fortbildungen. (Die sieben
katholischen Träger, die diese Fachtagung veranstalteten, bieten ihre Fort- und
Weiterbildungen zum Thema Ethik gemeinsam an).
In
den Augen von Alfred Simon hat die Ethische Fallbesprechung in den
zurückliegenden 20 Jahren eine positive Entwicklung genommen, selbst wenn das
Instrument häufig genug nur zurückhaltend in Anspruch genommen wird. Und da
viele Krankenhaus-Geschäftsführer reine Zahlenmenschen sind, müsse ihnen
deutlich gemacht werden, dass die reine Zahl kein
Kriterium für die Qualität der Ethischen Fallbesprechung sei, weil es nicht
um Zahlen, sondern um das Wohl des Patienten gehe. Auch wenn es bisher wenig
Evidenz zur Wirksamkeit von Ethischen Fallbesprechungen gibt und man sich bei
der Beantwortung dieser Frage auf sein Bauchgefühl verlassen müsse, so empfahl
Simon trotzdem: "Erstellen Sie einen Tätigkeitsbericht".
Für
die Qualität der Ethikberatung ist in seinen Augen für die Zukunft zweierlei
von entscheidender Bedeutung. Zum einen müsse für das Thema Datenschutz und
Schweigepflicht (respektive Entbindung von ihr) eine rechtlich tragfähige
Lösung gefunden werden. Zum anderen müssten endlich die notwendigen personellen
und finanziellen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Ansonsten drohe die
Gefahr, dass Ethikberatung ihre Relevanz für den Alltag in Kliniken und
Senioreneinrichtungen verliere.
Am
Nachmittag stellten die Teilnehmer - Ärzte, Pflegekräfte, Seelsorger, Sozialarbeiter
aus Krankenhäusern, Altenheimen und Psychiatrischen Einrichtungen, die eines
verbindet: ihr Engagement in der Ethikberatung - verschiedene Instrumente vor,
die sie entwickelt und in ihren Einrichtungen implementiert haben.
Beispielsweise die Ethikvisite. Zwei Mitarbeiterinnen, die sich in der
Ethikberatung engagieren, begleiten einmal wöchentlich den Chefarzt einer
ausgesuchten Station bei der Visite. Bei dieser Gelegenheit können dann (wenn
es sie gibt) ethische Fragen gleichsam en passant angesprochen werden. Was dazu
führt, dass so der ganze Mensch in den Blick genommen wird.
Das
Klinische Ethikkomitee (KEK) im Bonner Gemeinschaftskrankenhaus ist direkt am
Direktorium angesiedelt, was nach Einschätzung von Christoph Bremekamp, dem
Hausoberen und langjährigen Vorsitzenden des KEK, die schnellere Umsetzung von
Empfehlungen und Beschlüssen möglich macht. Auch wenn die Zahl der Ethischen
Fallbesprechungen überschaubar ist, so werden - so ist Bremekamp überzeugt -
"in unseren Häusern auch abseits von Ethischen Fallbesprechungen die
unterschiedlichsten Fragen und Themen ethisch reflektiert". Deshalb riet er
auch zu mehr Gelassenheit gegenüber Mitarbeitern und Kollegen, die in Sachen
Ethik ihre Ohren auf Durchzug stellen. Vieles hänge zudem von den leitenden
Personen und ihrer Affinität zu Ethischen Themen ab, so Bremekamp. Und es
brauche einen langen Atem.
Den
haben all diejenigen, die von der Ethischen Fallbesprechung überzeugt sind, in
den vergangenen 20 Jahren bereits bewiesen. Und sie werden, so der Eindruck in
Vallendar, auch nicht locker lassen, damit die Ethikberatung gerade in
konfessionellen Einrichtungen ein selbstverständliches Qualitätsmerkmal wird.
Fotos und Text: Heribert Frieling