In der Herbst- und Winterzeit sind die Wartezimmer der Hausarztpraxen meist voll mit Menschen, die Erkältungssymptome haben. In diesem Jahr kann bei vielen auch eine Infektion mit dem Coronavirus vorliegen. Hausarztpraxen sind die erste Anlaufstelle für einen Corona-Test. Getestet wird zwar auch in speziellen Testzentren, etwa in Bahnhöfen oder Flughäfen. Doch am schnellsten zu erreichen ist für die meisten die Hausarztpraxis. Klaus Striepeke, Allgemeinmediziner am MVZ Westheim, berichtet wie er und seine Mitarbeitenden das gerade erleben.
Auf jeden Fall, wir merken bereits jetzt, dass die Erkältungssaison losgegangen ist. Im Corona-Jahr geht das natürlich mit sehr viel Verunsicherung einher, da die Symptome von Husten, Grippe und Co. einer Erkrankung am Coronavirus ähneln.
Der Hausarzt ist der erste Ansprechpartner bei Erkältungssymptomen oder typischen Covid-19-Symptomen wie Geruchsverlust. Die Betroffenen dürfen aber nicht einfach vorbeikommen, sie müssen sich auf jeden Fall telefonisch anmelden, denn wir haben ja auch andere Patienten. Grundsätzlich müssen sich alle Patienten telefonisch anmelden, einfach vorbeigehen gibt es nicht mehr.
Ein erster Schritt ist, dass nicht alle Patienten in die Praxis kommen müssen: Leichte Infekte können wir auch am Telefon „behandeln“ und krankschreiben. Außerdem haben wir zwei zeitlich getrennte Sprechstunden: eine für die nicht-infektiösen und eine für die infektiösen Patienten. Die Trennung geht bei uns zum Glück auch räumlich.
Wenn der begründete Verdacht besteht, dass ein Patient an Covid-19 erkrankt ist, wenn er zum Beispiel Kontakt zu einem Infizierten hatte, machen wir einen Abstrich – vor der Tür mit spezieller Schutzkleidung. Diese Patienten kommen im Grunde gar nicht zu uns rein.
Grundsätzlich schon, aber wir können Abstufungen machen. Trotzdem werden Erkältungspatienten anders behandelt als nicht infektiöse-Patienten. Sie haben eine eigene Sprechstunde und kommen in spezielle Räume, außerdem tragen wir FFP-2 Masken. Wenn wir den Eindruck haben, dass es auch das Coronavirus sein könnte, machen wir einen Abstrich. Zurzeit haben wir leider noch keine Schnelltests in größerer Zahl, aber diese sollten wir bald erhalten. Bei symptomatischen Patienten hätten wir dann innerhalb von 15 Minuten ein erstes Ergebnis.
Corona hat seine typischen Symptome wie Geschmacks- oder Geruchverlust. Wenn ein Patient von diesen Symptomen berichtet, gehen bei mir die Alarmglocken los. Ansonsten ist es in der Tat schwierig diese Infektionskrankheiten voneinander zu unterscheiden. Das Spektrum an Symptomen beim Coronavirus ist sehr groß und kann von Halsschmerzen, über Schnupfen und Gliederschmerzen bis hin zur Luftnot gehen. Eine Virusgrippe geht schlagartig los, während eine Corona-Infektion ein schleichender Prozess ist. Das ist ein wichtiger Unterschied.
Theoretisch schon, aber eine solche Menge an Tests könnten die Labore gar nicht auswerten. Getestet wird nur in begründeten Verdachtsfällen, wenn zum Beispiel Kontakt zu einem Erkrankten bestand.
Diese Patienten schreiben wir telefonisch krank und bitten sie, sich in eine selbstgewählte Quarantäne zu begeben und zuhause zu bleiben. Probleme bereitet uns dabei die Mentalität, auch krank arbeiten zu gehen. Das hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Hier kann ich nur immer wieder sagen: Keiner sollte krank arbeiten gehen!
Ein Großteil der Patienten wird ambulant durch den Hausarzt behandelt, nur schwere Fälle von Covid-19, die zum Beispiel mit Atemnot einhergehen, werden im Krankenhaus behandelt, aber das ist nur ein sehr kleiner Prozentteil.
Corona-Patienten mit leichten Verläufen werden nicht speziell behandelt. Wie bei anderen Infektionskrankheiten der oberen Atemwege behandeln wir die Symptome. Wir halten aber mehr Rücksprache mit den Patienten und fragen nach, wie es ihnen geht.
Ich beschränke es auf die wirklich notwendigen Besuche, zum Beispiel in Seniorenzentren.
Bevor ich ein Haus betrete, wird meine Temperatur gemessen und wir sind besonders vorsichtig. Das wäre ja wirklich eine Katastrophe, wenn der Hausarzt das Virus im Seniorenzentrum einschleppen würde. Man muss aber auch sagen, dass wir Ärzte wissen, wie wir uns richtig verhalten: Wir halten Abstand, lüften regelmäßig, schützen uns mit FFP2-Masken und desinfizieren ohne Ende. Und der Erfolg gibt uns Recht, in unserer Praxis hatten wir noch keinen positiv getesteten Mitarbeitenden.
Den Anstieg merken wir deutlich: Wir haben jetzt schon mehr Patienten als in der ersten Welle der Pandemie.
Während der ersten Welle haben wir im Schichtdienst gearbeitet, das heißt immer die gleichen Teams miteinander, damit nicht alle ausfallen, wenn mal ein Mitarbeitender positiv getestet wird. Wir haben uns teilweise sechs bis acht Wochen lang nicht gesehen. Ab Montag werden wir das wieder so machen. Wir werden sehen, was uns der Winter weiter bringt.
Das Interview führte Julia Gröber-Knapp.