Die Geschichte der Hospize lässt sich bis zum Beginn des
Christentums im Römischen Reich zurückverfolgen: Vor allem für Reisende und
Pilger, aber auch für kranke und sterbende Menschen gab es das Angebot, etwa in
Krankenabteilungen von Klöstern kostenlos unterzukommen. Ab dem 4. Jahrhundert
übernahmen christliche Orden die Leitung dieser so genannten Hospitien (dt.
etwa Beherbergung).
Eine herausragende Rolle für die Fortentwicklung der Spitäler spielten um 1200 Heilige wie Franz von Assisi und Elisabeth von Thüringen. Die Landgräfin verbrachte ihre letzten Lebensjahre als ärmliche Spitalschwester und widmete sich insbesondere der Pflege von Leprakranken, schwangeren Frauen und Kindern. Berichte über ihren liebevollen Umgang mit geschwächten Menschen haben bis heute ihr Bild als "Mutter der Armen und Kranken" geprägt.
Im Hochmittelalter bildeten sich darüber hinaus eigene Pflegeorden. Manche wie die Johanniter oder Malteser sind heute noch für diesen Schwerpunkt bekannt, doch auch Laien-Gemeinschaften wie die Beginen widmeten sich der Pflege von Armen und Kranken. Die Aufgaben all dieser Einrichtungen basierten auf den biblischen Werken der Barmherzigkeit: Speisung, Aufnahme und Bekleidung der Armen, Beherbergung der Fremden, Pflege der Alten und Kranken sowie Bestattung der Toten.
Im 16. Jahrhundert entstanden weitere religiöse Pflegeorden, insbesondere die Orden der Barmherzigen Brüder und die Kamillianer. Im 17. Jahrhundert folgten die Bruderschaften der Damen der christlichen Liebe und die Filles de la Charité (dt. Töchter der Nächstenliebe). Diese Gemeinschaften gelten als Vorboten der späteren organisierten und professionalisierten Pflege.
1781 entstand in Mannheim die erste öffentliche deutsche Krankenpflegeschule; 1836 die "Bildungsanstalt für evangelische Pflegerinnen", aus der später die Diakonissenanstalt Kaiserwerth hervorging. Dort absolvierte zum Beispiel Florence Nightingale, eine der Begründerinnen der modernen Krankenpflege, ihre Ausbildung. Auch wurde im 19. Jahrhundert der Gedanke der "Beherbergung" wieder populär: 1842 gründete Jeanne Garnier in Lyon eine Einrichtung, die sich speziell der Pflege von Sterbenden widmete, genannt "Calvaire" (dt. Kalvarienberg, Leidensweg). Garnier wird auch zugeschrieben, das Wort "Hospiz" zum ersten Mal mit der Betreuung und Begleitung Sterbender in Zusammenhang gebracht zu haben.
Die ersten neuzeitlichen Hospize entstanden um 1900, als noch viele Menschen an ansteckenden Krankheiten wie Grippe, Masern oder Scharlach verstarben. Das "Calvary Hospital" in New York wurde 1899 errichtet - von einer Gruppen verwitweter Frauen, die mittellosen Menschen mit unheilbaren Krankheiten helfen wollten. Bevor das Hospiz gebaut wurde, gingen sie dieser Aufgabe in ihren eigenen Häusern nach. Ähnlich verlief die Eröffnung des ersten europäischen Hospizes: Schwester Mary Akinhead stellte ihr eigenes Haus in der irischen Hauptstadt Dublin für die Pflege sterbender Menschen zur Verfügung. Über London breitete sich die Entwicklung in Europa allmählich aus.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
betreute die englische Ärztin und Sozialarbeiterin Cicely Saunders Menschen, die an Krebs sterben würden. Für diese
Patienten sollte es einen Ort geben, an dem sie bis zuletzt würdig leben und
sterben können. Saunders wollte ihre Schmerzen lindern, und sie war überzeugt,
dass dafür eine ganzheitliche Betreuung notwendig ist: durch Pfleger und
Mediziner, durch Psychologen, Sozialarbeiter und Seelsorger.
1967 gründete Saunders in Sydenham bei London das "St.
Christopher's Hospice". Dort erhielten unheilbar kranke und sterbende Menschen
eine spezielle ärztliche Behandlung und pflegerische Betreuung mit emotionaler,
spiritueller und sozialer Unterstützung. Die Einrichtung gilt bis heute als
Modell der modernen Hospiz- und Palliativbewegung.
Cicely Saunders schrieb einmal, dass sie die Entwicklung moderner Therapieformen stets fasziniert habe. Entscheidend für ihre Entscheidung, das "St. Christopher's Hospice" zu gründen, seien aber auch die theologische Auseinandersetzung mit sterbenden Patienten gewesen. Sterbehilfe lehnte sie strikt ab; das Sterben war für sie eher eine Gelegenheit, Bilanz zu ziehen und lieben Menschen noch einmal zu danken.
Für ihr Engagement für die Verbesserung der Versorgung und Begleitung unheilbar kranker und sterbender Menschen erhielt sie viele Auszeichnungen. 1980 erhob Königin Elisabeth II. die Ärztin in den Adelsstand, 1989 nahm sie sie in den berühmten "Order of Merit" auf, mit dem seit 1902 Persönlichkeiten geehrt werden, die herausragende Leistungen beim Militär, in Wissenschaft oder Kunst erbracht haben. Im selben Jahr wurde sie als einzige Frau des 20. Jahrhunderts in England zur Ehrendoktorin der Medizin ernannt. Sie starb am 14. Juli 2005 mit 87 Jahren an den Folgen ihrer Krebserkrankung in dem Hospiz, das sie selbst gegründet hatte.
Ausgehend vom "St. Christopher‘s" entstanden in den folgenden Jahren weltweit weitere hospizähnliche Einrichtungen. In New Haven, Connecticut, nahm zum Beispiel 1974 ein ambulantes "home care team" seine Arbeit auf, 1975 entstand in New York ein palliativer Konsiliardienst. Die Gründung der weltweit ersten Palliativstation im Jahr 1975 wird dem "Royal Victoria Hospital" in Montreal zugeschrieben. Zunächst handelte es sich um ein zweijähriges Pilotprojekt mit dem Ziel, unheilbar erkrankte Patienten und ihrer Familie sowohl ambulant als auch stationär begleiten zu können - ein Ansatz, den die Mitarbeiter als "Whole Person Care" (dt. etwa ganzheitliche Pflege) bezeichneten.
An der Gründung dieser Station hatte der kanadische Arzt Balfour Mount maßgeblichen Anteil. Er gilt als Vater der US-amerikanischen Palliativbewegung. Nach der Gründung des Montrealer Hospitals prägte er den Begriff "palliative care": Der Einfall, die umfassende Betreuung von Patienten nach einem schützenden Mantel zu benennen, soll ihm beim morgendlichen Rasieren gekommen sein. Noch im selben Jahr eröffnete er eine zweite Palliativstation im kanadischen Winnipeg.
Ein Buch und ein Film führten in den 1970er Jahren zu breiten Diskussionen über Hospize und Palliativstationen. Bereits 1969 veröffentlichte die schweizerisch-amerikanische Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross das Buch "On Death and Dying" (dt. "Interviews mit Sterbenden"), das bis heute als Standardwerk gilt. Die Gesellschaft begann, sich mit dem Thema Hospiz auseinanderzusetzen.
"Der Patient, der in der vertrauten Umgebung sterben darf", plädiert Kübler-Ross schon damals für einen ambulanten Palliativversorgungsansatz, "braucht sich weniger anzupassen, denn die Familie kennt ihn gut genug, um auch einmal ein beruhigendes Medikament durch ein Glas Wein zu ersetzen; der Duft der im Haus bereiteten Suppe regt ihn vielleicht an, ein paar Löffel Flüssigkeit zu sich zu nehmen, was auf jeden Fall angenehmer als eine Infusion ist." Kübler-Ross gilt als Begründerin der Sterbeforschung. Ihr Ansatz war insofern neu, als sie von den Sterbenden selbst lernen wollte, wie mit ihnen am besten umzugehen sei. Dafür führte sie rund 200 Interviews mit todkranken Menschen. Was unter Medizinern zunächst für Kritik sorgte, brachte ihr später außerordentliche Anerkennung; sie erhielt 23 Ehrendoktorate verschiedener Universitäten.
Elisabeth
Kübler-Ross starb am 24. August 2004 in Arizona. In einem ihrer letzten Interviews mit dem Fernsehsender 3sat verriet sie, was sie die Arbeit mit sterbenden Menschen gelehrt habe: "Halb arbeiten, halb tanzen. Das ist die richtige Mischung! Ich selbst habe zu wenig getanzt und zu wenig gespielt."
In Deutschland war es der Dokumentarfilm "Noch 16 Tage … Eine Sterbeklinik in London", der für kontroverse Diskussionen sorgte. Der Jesuitenpater Reinhold Iblacker war 1969 nach Yale zur Verleihung der Ehrendoktorwürde an Cicely Saunders gereist. Beeindruckt von ihrem Engagement drehte er einen Film über das "St. Christopher's Hospice". Die Ausstrahlung im Juni 1971 polarisierte. Der Begriff "Sterbeklinik" führte zu Angst vor Sterbe-Ghettos, auch die Überforderung der Pflegenden wurde befürchtet. Andererseits machte der Film viele Zuschauer betroffen; sie wollten auf diesem Gebiet etwas bewirken.
Noch Ende der 70er Jahre lehnten Krankenhäuser, Kirchen und Wohlfahrtsverbände die Einrichtung von Hospizen ab. Ein menschenwürdiges Sterben, erklärte etwa das Katholische Büro Bonn im Juni 1978, könne nicht "durch die Errichtung eigener Sterbekliniken oder Sterbeheime gewährleistet werden, in die der Schwerkranke abgeschoben wird." Allein die Einlieferung, so die Befürchtung dahinter, nehme dem kranken Menschen die Hoffnung: Solche Einrichtungen machten "das Sterben nicht menschenwürdiger, sondern unmenschlich".
Erst zwölf Jahre nach dem umstrittenen Dokumentarfilm,
1983, gründete die Deutsche Krebshilfe gemeinsam mit der Klinik für Chirurgie
am Kölner Universitätsklinikum die erste deutsche Palliativstation. Auf der "Station
für palliative Therapie" konnten zunächst fünf Patienten stationär betreut
werden. Kurze Zeit später entstand ein ergänzender palliativer
Hausbetreuungsdienst, der Patienten und ihre Familien zu Hause begleitete und
beriet.
Den endgültigen Durchbruch erreichte die Hospiz- und Palliativbewegung in Deutschland jedoch erst durch einen Aufsatz des Sozialmediziners Johann-Christoph Student von 1985: "Es geht bei Hospizen nicht eigentlich darum, neue Institutionen zu schaffen, sondern darum, alte Traditionen des menschlichen Umgangs mit Sterbenden wieder neu zu entdecken und sie in unsere veränderte Welt hinein zu sprechen", erklärt er darin.
Mittlerweile gibt es weit über 200 Palliativstationen in deutschen Krankenhäusern. Der Bedarf ist damit indes noch nicht gedeckt, wie sowohl der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband (DHPV) als auch die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) immer wieder betonen. Die DGP feiert in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bestehen und weist aus diesem Anlass noch einmal auf die Lücken in der palliativmedizinischen Versorgung hin. Der flächendeckende Ausbau der Strukturen bleibe eine Kernaufgabe, so die DGP.