Eine
geriatrische Station ist nicht wie jede andere Abteilung im Krankenhaus.
Ähnlich wie in einer Reha, werden hier ältere Patienten nach einer Erkrankung
wieder fit für das Leben zuhause gemacht. Dabei arbeiten Medizin,
Physiotherapie, Ergotherapie und einige andere Fachdisziplinen eng zusammen.
Wir - das ist ein Team aus Ärzten und geriatrischen Fachpflegern, Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden, Neuropsychologen und Ernährungsberatern. Jeden Morgen treffen sich alle zu einem "Blitzlicht", bei dem jeder einzelne Patient besprochen wird. Dank dieser Verzahnung von ärztlicher Behandlung, Pflege und Therapie gelingt auf der Geriatrie immer wieder Überraschendes. Unlängst erst habe er einen solchen Patienten gehabt, erzählt der Chefarzt. Der betagte Herr habe einen Schlaganfall erlitten, sei dabei gestürzt und habe sich den Oberschenkelhals gebrochen. "Da sah alles nach Pflegebedürftigkeit aus." Dem Team aber sei es gelungen, ihn wieder so weit zu mobilisieren, dass er schließlich zu seiner Frau in die eigene Wohnung zurückkehren konnte. "Ohne geriatrische Behandlung wäre das mit Sicherheit nicht gelungen", sagt Bradtke.
Dank
der geschickten Verzahnung von ärztlicher Behandlung, Pflege und Therapie
gelingt auf der Geriatrie immer wieder Überraschendes. Unlängst erst habe er
einen solchen Patienten gehabt, erzählt der Chefarzt. Der betagte Herr habe
einen Schlaganfall erlitten, sei dabei gestürzt und habe sich den
Oberschenkelhals gebrochen. "Da sah alles nach Bettlägerigkeit und
Pflegebedürftigkeit aus." Dem Team aber sei es gelungen, ihn wieder so weit zu
mobilisieren, dass er letztendlich zu seiner Frau in die eigene Wohnung zurückkehren
konnte. "Ohne geriatrische Behandlung wäre das mit Sicherheit nicht gelungen", sagt
der Chefarzt.
Auch Bradtke selbst wünscht sich fürs Alter, möglichst lange selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden leben zu können. Wo nötig, werde er aber auch auf Hilfen zurückgreifen. Ob das dann schon der Pflegeroboter ist, könne er heute noch nicht sagen. "Technische Assistenzsysteme werden dann aber sicher schon eine Rolles spielen." Allein von der Technik will sich Bradtke aber nicht abhängig machen. Stattdessen hofft er, dass ihn das Netzwerk, über das er als Arzt verfügt, dann einmal als Patient auffangen werde.
Seit Herbst
2012 ist Dr. Norbert Bradtke Chefarzt für Innere Medizin am St.-Marien-Hospital
im sauerländischen Marsberg und leitet dort auch die Ende 2013 eröffnete
geriatrische Station. Alte Menschen, die - etwa nach einem Sturz oder einer
Operation - aus akutmedizinischer Sicht wieder gesund sind, aber noch mit
Einschränkungen zu kämpfen haben, werden dort wieder fit für den
selbstversorgenden Alltag gemacht. Im Interview beantwortet er die wichtigsten
Fragen zu dem Konzept.
Altern ist nicht nur ein körperlicher, sondern auch ein psychischer Prozess. Viele Menschen leiden darunter, wenn die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit abnimmt. Dr. Bernd Balzer, Chefarzt der BBT-Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Saffig, und Seelsorger Alwin Hoffmann begleiten solche Menschen. Welche Möglichkeiten es gibt, das Unvermeidliche anzunehmen, erklären sie im Interview.
Herr Dr. Balzer, Herr Hoffmann, alt zu sein oder alt zu werden, ist in unserer Gesellschaft nicht gerade positiv besetzt. Propagiert wird das Bild der fitten Senioren, die auch in hohem Alter noch uneingeschränkte Lebensfreude ausstrahlen. Was macht das mit Menschen, wenn Sie merken: Oje, ich werde alt?
Dr. Bernd Balzer: Zunächst tauchen natürlich viele
Sorgen auf. Die Menschen haben Angst, dass sie nicht mehr zurechtkommen im
Leben, weil die körperliche oder psychische Leistungsfähigkeit nachlässt. Hinzu
kommt die Angst vor Krankheiten wie Demenz und natürlich auch die Angst vor dem
Tod.
Alwin Hoffmann: Ich möchte da noch die Angst vor dem Alleinsein ergänzen. Auch das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, belastet viele ältere Menschen.
Dr. Bernd Balzer: Bei vielen Menschen ist das Wort Angst
sicher zu hoch gegriffen. Da sollte man besser von Sorge sprechen. Andererseits
ist ein gewisses Maß an Angst vor diesen essentiellen Veränderungen durchaus
normal. Es wäre ja blauäugig zu denken, dass alles einfach so bleibt, wie es
war. Aus therapeutischer Sicht finde ich es sogar wichtig, dass sich die
Menschen aktiv mit dem Thema Alter und Tod auseinandersetzen, indem sie etwa
ein Testament machen oder eine Vorsorgevollmacht aufsetzen. Wenn sie das vor
sich herschieben oder die ganze Problematik einfach verdrängen, dann beginnen
oft erst die Probleme. Natürlich darf eine solche Angst nicht pathologische
Züge annehmen, sie würde dann den Menschen lähmen. Aber meist ist das ohnehin
nicht der Fall.
Nun ist das Altern ja
nicht nur ein körperlicher Prozess, den wir psychisch verarbeiten müssen. Auch
die Psyche eines Menschen verändert sich im Alter. Wie muss man sich das
vorstellen?
Dr. Bernd Balzer: Die Psyche altert ganz ähnlich wie der
restliche Körper. Das Gehirn schrumpft nämlich im Alter, so wie auch Muskeln
schrumpfen. Dadurch lässt seine Leistungskraft nach, was wiederum Auswirkungen
auf das Gedächtnis und die Konzentrationsfähigkeit hat. Aber nicht nur das
Denken, auch das Fühlen ist davon betroffen. So tun sich alte Menschen oft
deutlich schwerer, wenn es darum geht, Krisen zu bewältigen oder mit Problemen
klarzukommen. Wie weit diese Einschränkungen gehen, ist allerdings individuell
sehr unterschiedlich.
Welche Faktoren spielen
dabei eine Rolle?
Dr. Bernd Balzer: Entscheidend ist zum einen die
genetische Disposition, das haben etwa Studien mit Alzheimerpatienten ergeben.
Dann spielt die Krisenerfahrung eine Rolle, also die Frage, ob der Patient im
Laufe seines Lebens gelernt hat, mit schwierigen Lebenssituationen umzugehen.
Schließlich ist das soziale Umfeld wichtig. Menschen, die mit ihren Problemen
alleine sind, tun sich oft viel schwerer damit als Menschen, die gut in ihre
Familie eingebunden sind.
Jetzt ist oft das Wort Angst gefallen. Ist Altern also ein Angstthema?
Das Thema Demenz ist in
der öffentlichen Diskussion derzeit sehr präsent. Dadurch bekommt man den
Eindruck, dass die Zahl der Erkrankten in den vergangenen Jahren stark
zugenommen hat. Ist das tatsächlich so?
Dr. Bernd Balzer: Ja. Dadurch, dass die Lebenserwartung
steigt, erkranken auch mehr an Demenz. Denn je älter ein Mensch wird, umso
höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er an Demenz erkrankt. Zusätzlich hat
sich aber auch der Demenzbegriff geändert. So wird heute in Fällen Demenz
diagnostiziert, in denen man früher allenfalls von Vergesslichkeit gesprochen
hätte.
Was kann einem
Betroffenen helfen, sich der unangenehmen Wahrheit zu stellen, sich
einzugestehen, dass mit dem Alter die Kräfte nachlassen, dass man auf Hilfe
angewiesen ist?
Alwin Hoffmann: In meiner Arbeit ist das Gespräch
entscheidend. Ich spreche mit den Menschen über ihre Sorgen - und ich höre
ihnen zu. Ich versuche, im Gespräch den wunden Punkt zu finden, das, was die
Menschen wirklich belastet. Oft lernen sie so, das Unvermeidliche anzunehmen,
also die Lasten und Beschwerden des Alters. Sie zu drängen, doch jetzt endlich
Hilfe anzunehmen, hat sicher wenig Sinn. Denn auch ein alter Mensch hat das
Recht darauf, sein Leben selbstbestimmt zu leben.
Dr. Bernd Balzer: Das möchte ich unterstützen. Man kann
und soll niemanden zu etwas zwingen. Man kann Patienten über Hilfsangebote
informieren, kann ihnen das Gespräch über ihre Probleme anbieten, aber
letztlich muss jeder selbst wissen, wie er damit umgeht.
Auch für Angehörige ist
es oft nicht leicht, wenn sie mit ansehen müssen, dass der Partner oder ein
Elternteil langsam abbauen - körperlich oder geistig. Was kann ihnen helfen?
Alwin Hoffmann: Solchen Menschen muss man zunächst
einmal zuhören. Man muss im Gespräch herausarbeiten, wo der Schmerz ist und
dann Wege aufzeigen, wie er sich lindern lässt.
Im Alter neigen viele
Menschen dazu, Rückschau zu halten und Bilanz zu ziehen. Aber nicht immer war
die Vergangenheit nur rosig. Ist es sinnvoll, alte Wunden noch einmal
aufzureißen?
Dr. Bernd Balzer: Aus psychotherapeutischer Sicht muss
ich das mit einem klaren Nein beantworten. Alte Wunden wieder aufzureißen, aktiv
in der Vergangenheit zu bohren, ist nie sinnvoll. Aber wenn ein Patient seinerseits
ein Thema aus der Vergangenheit ins Gespräch bringt, dann gehört es zur
Therapie, dieses Thema aufzuarbeiten. Die Tatsache, dass er es angesprochen
hat, beweist schließlich - um im Bild zu bleiben -, dass die Wunde noch nicht
geschlossen ist. Als Therapeut reiße ich da also nichts auf.
Alwin Hoffmann: In solchen Situationen bemühe ich mich
immer, bei diesem Menschen schöne Erinnerungen zu wecken. Gerade im Alter
tendieren viele Leute dazu, sich an den schlechten Erinnerungen festzubeißen,
das Leben quasi durch eine graue Brille zu sehen. Da bringe ich das Gespräch
gerne auf positive Themen, denn niemand hat im Leben nur Schlechtes oder
Trauriges erlebt.
Dr. Bernd Balzer: So arbeiten wir Therapeuten natürlich
auch. Man nennt das in der Fachsprache den ressourcenorientierten Ansatz.
Natürlich muss ich Probleme aufgreifen, die ein Patient anspricht. Aber nur
dabei zu verharren, führt oft nicht weiter. Da muss man den Patienten dann
bewusst in eine andere Richtung lenken.
So weit scheinen also
Therapie und Seelsorge nicht auseinander zu liegen.
Alwin Hoffmann: In der Seelsorge gibt es natürlich noch eine Dimension, die in der Therapie zunächst keine entscheidende Rolle spielt, nämlich die Frage des Glaubens. Gerade ältere Menschen bringen oft noch diesen religiösen und kirchlichen Hintergrund mit. Da kommen dann Fragen nach dem Übergang vom Leben zum Tod, nach Gott und nach dem Jenseits auf. Solche Themen mögen manchmal auch in einer Therapie angesprochen werden, aber in der Seelsorge nehmen sie doch einen ganz anderen Stellenwert ein. Oder nehmen Sie das Thema Trauer. Viele ältere Menschen sind ja damit konfrontiert, dass immer mehr Menschen aus ihrem Umfeld sterben. Ihnen versuche ich zu vermitteln, dass Trauer etwas Wichtiges ist, ein ganz entscheidender Prozess, der zum Leben dazugehört, und den man deshalb auch zulassen soll.
Tun sich denn gläubige
Menschen leichter mit der Bewältigung schwieriger Lebenssituationen?
Dr. Bernd Balzer: Es gibt in der Tat wissenschaftliche
Untersuchungen, dass Menschen mit einer starken religiösen Bindung besser gegen
Depressionen geschützt sind. Das trifft sicher nicht auf alle Menschen und auch
nicht auf alle Arten von Depression zu, aber statistisch nachweisbar ist dieser
Effekt allemal.
Alwin Hoffmann: Natürlich begegne ich in meiner Arbeit
vielen Menschen, denen der Glaube Kraft gibt und die im Gebet Ruhe finden. Es
gibt aber auch Menschen, die gerade in solchen schwierigen Situationen
Glaubenszweifel bekommen, die mir sagen, dass sie sich von Gott verlassen fühlen
und plötzlich nicht mehr beten können.
Gerade Ihre Arbeit, Herr
Hoffmann, wird sich wohl in den nächsten Jahren verändern, denn auch unter den
älteren Menschen wird die Zahl derer abnehmen, die noch eine intensive
religiöse Bindung haben.
Alwin Hoffmann: Meine Arbeit verändert sich schon
jetzt. Die Fragen, über die wir im Seelsorgegespräch sprechen, sind natürlich
dieselben: Wo stehe ich? Wie ist mein Leben verlaufen? Wo geht es hin? Aber
Gott spielt bei der Beantwortung nicht mehr immer eine Rolle. Dennoch sind das
für mich zutiefst religiöse Fragen. Es ist eben nur eine andere Art der
Religiosität.
Eine praktische Frage
zum Schluss: Wohin kann ich mich wenden, wenn ich spüre, dass mir mein Alter
psychisch zusetzt oder wenn ich einen Angehörigen habe, der in dieser Situation
ist?
Dr. Bernd Balzer: Erster Ansprechpartner ist immer der
Hausarzt. Er kann dann entscheiden, was zu tun ist, ob etwa eine fachärztliche
Behandlung vonnöten ist. Informationen bekommt man natürlich auch bei den
Gesundheitsämtern. Und auch viele Seniorenheime bieten Hilfe an.
Das Gespräch führte Andreas Laska.