Wann ist ein neues Gelenk überhaupt nötig und wie wird es möglichst schonend eingesetzt? Dr. Holger Haas, Chefarzt der Orthopädie im GK Bonn, gibt einen Einblick.
Minimalinvasiv bedeutet ja zunächst einmal "mit geringstmöglicher Verletzung". Bei Operationen muss man nun einmal den Körper öffnen und - in der Regel gesundes - Gewebe verletzen. Dafür genügen bei immer mehr Eingriffen winzige Schnitte.
Das sind die berühmten "Schlüssellochoperationen". Das ist bei einer Gelenkimplantation natürlich nicht möglich, schließlich muss ich ein recht großes Stück Knochen entfernen und eine Prothese einsetzen. Aber auch in der Endoprothetik gibt es verschiedene Operationstechniken, bei denen das gesunde Gewebe nur geringfügig verletzt wird. Und wir verwenden diejenige, die allgemeinen Erfahrungswerten nach die beste Langfristprognose hat.
Im Prinzip gibt es zwei anerkannte Methoden. Bei der einen wird versucht, keinen Muskel zu verletzen, und das gelingt bei günstigen Ausgangssituationen auch in vielen Fällen. Gelingt es allerdings nicht, wird der Hauptmuskel der Hüfte überdehnt. Und diesen Schaden kann der Körper in der Regel nicht ausgleichen. Dieses Risiko umgehen wir, indem wir zwei kleine Muskeln durchtrennen, um an das Gelenk zu kommen. Am Ende der Operation werden diese Muskeln wieder angenäht, sodass sie wenige Wochen später wieder funktionieren. So kann der Hauptmuskel des Hüftgelenks sicher geschont werden, selbst wenn die Operation schwieriger wird als erwartet.
Studien zeigen, dass es etwa sechs Wochen nach der Operation keine Unterschiede im Wohlbefinden der Patienten gibt. Nur in den ersten zwei Wochen können sich geringfügige Unterschiede zwischen den Methoden zeigen. Das ist in unseren Augen auf die gesamte Lebenszeit gesehen aber wirklich zu vernachlässigen. Entscheidender für eine lange Haltbarkeit ist die sichere Positionierung der Prothese. Deshalb bevorzugen wir die Methode, die den Hauptmuskel auch bei schwierigen Operationen nicht gefährdet.
Wir spielen mit offenen Karten, klären unsere Patienten so umfangreich und verständlich wie möglich über Chancen und Risiken einer Therapie auf, damit sie eine fundierte Entscheidung treffen können. Und wir machen ihnen klar, dass wir nicht nur die Hüfte operieren, sondern den ganzen Menschen behandeln. Ein Patient mit geringem Leidensdruck oder erhöhtem Risiko aufgrund einer Vorerkrankung wird sich deutlich später zu einer Operation entschließen, als ein besonders gesunder und aktiver Mensch, der sehr unter seinen Beschwerden leidet und seinen eigenen Ansprüchen an die Mobilität nicht mehr nachkommen kann.
Natürlich. Es gibt objektive Kriterien, die Voraussetzung für eine Operation sind. Aber auch wenn sie erfüllt sind, kommt es sehr auf den Patienten und seine Lebensumstände an. Sagen wir einmal so: Wenn jemand am 18. Loch des Golfparcours Hüftschmerzen bekommt, ist das normalerweise keine Indikation für eine Endoprothese.
Text: Jan D. Walter | Fotos: André Loessel