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20.07.2021

Die Schmerzexperten 

Wenn Schmerzen sehr stark sind oder chronisch werden, ist der Leidensdruck von Betroffenen groß. Neben den körperlichen Ursachen kümmern sich spezialisierte Ärzte, Therapeuten und Pflegende daher auch um seelische Beeinträchtigungen und mögliche soziale Veränderungen. Im Brüderkrankenhaus St. Josef Paderborn, im St.-Marien-Hospital Marsberg und im MVZ Westheim verfolgen die Schmerzexperten einen ganzheitlichen Ansatz und lindern mit ganz unterschiedlichen Mitteln das Leid der Betroffenen.

Bild: istockphoto

Dumpfe, lang andauernde Kopfschmerzen oder so heftige Rückenschmerzen, dass selbst einfachste Bewegungen als ein Ding der Unmöglichkeit erscheinen – Schmerzen können das Leben erheblich beeinträchtigen sowie starke Ängste und sogar Panik auslösen. Das führt bei manchen Leidgeplagten sogar dazu, dass sie bestimmte Situationen ganz vermeiden aus Angst, dass der Schmerz wiederkommt. 

Dabei ist es wichtig, sich eines klarzumachen: Schmerzen sind wichtig. Das Empfinden von Schmerzen ist Bestandteil unseres Sinnessystems, mit dem wir unsere Umwelt und uns selbst wahrnehmen – so wie Hören und Sehen. „Schmerz ist ein Warnsignal, das von einer gefährdeten Stelle ausgeht, zum Beispiel von einem Bandscheibenvorfall. Von den Schmerzfühlern bekommt das Gehirn eine Information und schickt sogleich Stoffe zurück, die das Schmerzempfinden hemmen“, erklärt Oliver Kramer, Facharzt für Anästhesie und spezielle Schmerztherapie im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) in Westheim. Wenn die auslösende Ursache geheilt oder beseitigt ist, klingen die Schmerzen von selbst wieder ab. Akute Schmerzen sind also eine lebenserhaltende und damit sinnvolle Reaktion des Organismus.

Therapie von Kopfschmerz

Migräne: Heftiger einseitiger Kopfschmerz, der zumeist nur an einzelnen Tagen auftritt. Therapieoptionen: Behandlung mit Migränemitteln nach Anweisung des Arztes. Entspannungs- und Atemübungen.

Spannungskopfschmerzen: Dauerhafter oder länger anhaltender Kopfschmerz.Therapieoptionen: Vorsicht bei regelmäßiger Einnahme von Schmerzmitteln! Entspannungs- und Bewegungsübungen sowie lokale Mittel wie Minzöl probieren.

Therapie von Rückenschmerzen

Unspezifische Rückenschmerzen: Häufig starke Schmerzen, oft ohne radiologisch nachvollziehbare Ursache. Therapieoptionen: Prävention durch Bewegung und Muskelaufbau. Nach ärztlicher Rücksprache können Rücken- und Haltungsschulen, Kurse zur gesunden Gewichtsreduktion oder eine spezifische Medikation notwendig und schmerzlindernd sein. 

Ausstrahlende Rückenschmerzen: Starke Schmerzen, die bis in die Arme, Hände oder Beine ausstrahlen. Therapieoptionen: Eine Therapie kann erst nach einem Arztbesuch mit einer differenzierten bildgebenden Diagnostik festgelegt werden

Therapie von Gelenkschmerzen

Gelenkversteifungen: Dauerhafte Schmerzen, die mitunter mit einer Entzündung einhergehen. Therapieoptionen: Muskelaufbau um die betroffenen Gelenke herum. Gegebenenfalls können Entzündungshemmer mit schmerzlindernder Wirkung Einsatz finden. 

Arthrose Therapieoptionen: Orthopädisch-physiotherapeutische Behandlung. Nach längerem Krankheitsverlauf ist häufig eine Operation angezeigt. Schmerzmittel sollten nur akuten Einsatz finden.

Wenn der Schmerz chronisch wird

Auch wenn Schmerzen also einen wichtigen Zweck erfüllen, sollten stärkere oder länger andauernde Schmerzen unbedingt behandelt werden. Akute Schmerzen können – wenn nicht behandelt – zu chronischen Beschwerden führen. Zudem lässt sich bei viele Erkrankungen die schmerzauslösende Ursache nicht oder nur nach einer langen Behandlung beseitigen. So leiden zum Beispiel Patienten mit Diabetes oder einer Krebserkrankung unter häufig wiederkehrenden oder andauernden Schmerzen. Doch selbst ohne eine eindeutige körperliche Ursache können chronische Schmerzen entstehen – dabei spielen Stress und psychische Belastungen eine große Rolle. So wird der Schmerz selbst zur Erkrankung.   

Die Empfindung, insbesondere die Schmerzwahrnehmung, hängt also von vielen Umständen ab, die einander bedingen. Die Schmerzexperten im Brüderkrankenhaus St. Josef Paderborn, im St.-Marien-Hospital Marsberg und im MVZ Westheim verfolgen daher einen ganzheitlichen Ansatz bei der Schmerztherapie – dieser berücksichtigt körperliche, seelische und umweltbezogene Faktoren. Teams aus Ärzten, Pflegenden, Psychologen, Physio- und Ergotherapeuten behandeln jeden Patienten ganz individuell. Neben der medikamentösen Behandlung können dazu psychotherapeutische Begleitung, Krankengymnastik, Ergotherapie, Musiktherapie, Faszientraining, aber auch naturkundliche Anwendungen gehören. „Wir versuchen, dem Patienten ganzheitlich Linderung zu verschaffen“, so Dr. Martin Leisin, Oberarzt der Klinik für Anästhesie im Marsberger St.-Marien- Hospital. Auf ganz vielen Wegen und mit ganz vielen Mitteln bekämpfen die Schmerzexperten also den Schmerz.

Akutschmerzdienst

Zu den Expertinnen gehören auch Sabrina Witte, Sigrid Brand-Rempe, Nicole Busch und Renate Wassing. Am Brüderkrankenhaus St. Josef arbeiten sie als sogenannte pflegerische Schmerzexpertin – im englischen Sprachraum heißt die Qualifikation „pain nurse“, also Schmerz-Krankenpflegerin. Ihre Aufgabe: Sie versorgen Patienten, die im Brüderkrankenhaus unter Schmerzen leiden. So kümmern sie sich beispielsweise um Patienten, die gerade eine Operation hinter sich haben oder die aufgrund einer Tumorerkrankung unter Beschwerden leiden. 

Die vier Frauen gehören zum Akutschmerzdienst des Krankenhauses. Die Idee dahinter: In enger Zusammenarbeit mit den Ärzten der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie rund um Privatdozent Dr. Torsten Meier kümmern sich die speziell ausgebildeten Pflegerinnen abteilungsübergreifend um Patienten. Durch eine möglichst gut abgestimmte Behandlung soll verhindert werden, dass aus akuten Schmerzen chronische werden.

Das Team des Akutschmerzdienstes: Nicole Busch, Sabrina Witte, Sigrid Brand-Rempe und Renate Wassing (v. li.) sind auf die Behandlung von Schmerzen spezialisiert.

Intensität einschätzen

Bei ihrer täglichen Arbeit betreuen die Schmerzexpertinnen Patienten im Aufwachraum oder auf Station nach einer OP. Dabei ermitteln sie mithilfe einer Skala, der sogenannten NRSSkala (numerische Analogskala), die Intensität des Schmerzes. Die Dokumentation ist ein wichtiger Baustein des Akutschmerzdienstes. Eine andere Aufgabe: Zusammen mit Ärzten erklären sie den Patienten die Benutzung einer Schmerzpumpe. Ein individuell auf die Bedürfnisse der Erkrankten eingestellter Computer gibt Lokalanästhetika ab. „Schmerzspitzen kann der Patient selbst abfangen, auf Knopfdruck steht dafür eine Dosis bereit – sozusagen eine Extraportion Schmerzmittel“, erklärt Dr. Indira Ruch, Oberärztin in der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie sowie Ärztliche Leiterin des Akutschmerzdienstes. Die Tagesdosis ist über den Computer begrenzt, sie wird je nach Verlauf der Beschwerden individuell bei Bedarf neu angepasst.

Die spezialisierten Pflegerinnen nehmen sensibel zwischenmenschliche Signale wahr. „Wir sind darin geschult, die angespannte Mimik der Patienten zu sehen, ebenso deren unnatürliche Körperhaltung, die manche einnehmen, um Schmerzen zu lindern“, erklärt Sabrina Witte. Denn viele Patienten können nicht artikulieren, an welcher Stelle und mit welcher Intensität Schmerzen auftreten.

Signale erkennen

Das gilt zum Beispiel für demenziell erkrankte Patienten, Wachkoma- oder beatmete Patienten ebenso wie für geistig beeinträchtigte Menschen. Die Expertinnen haben gelernt, wie sie trotzdem Schmerzen ermitteln. Und sie beobachten noch ein weiteres Phänomen: „Viele Patienten neigen dazu, ihre Schmerzen zu verschweigen. So fürchten einige sich davor, zu starke Medikamente zu bekommen oder abhängig zu werden. Einige denken, dass Schmerzen, beispielsweise nach einer Operation, normal seien“, sagen Nicole Busch und Sigrid Brand-Rempe. 

Schon seit mehr als 20 Jahren arbeiten Schmerzspezialisten im Brüderkrankenhaus. Der Akutschmerzdienst wurde in dieser Form 2015 eingerichtet und kürzlich erneut zertifiziert. „Wir arbeiten nach Leitlinien, die eine Behandlung nach etablierten und bewährten Standards beinhalten und personelle und organisatorische Vorgaben voraussetzen“, so Dr. Indira Ruch weiter.

Olga Viel, Sekretariat Schmerzambulanz, Psychotherapeut Peter Horstbrink, Dr. Indira Ruch, Chefarzt Priv.-Doz. Dr. Torsten Meier, Physiotherapeut Carsten Börger und Oliver Kramer (v. li.) helfen Schmerzpatienten.

Schmerzen als Dauerbegleiter

Wenn Schmerzen immer wiederkehren oder über einen längeren Zeitraum von mindestens drei bis sechs Monaten auftreten, spricht man von chronischen Schmerzen. Sie sind häufig zu einem bestimmenden Teil des Lebens geworden und führen zu deutlichen Beeinträchtigungen in allen Lebenslagen. Neben den körperlichen Leiden kommen häufig auch seelische Beeinträchtigungen und soziale Veränderungen hinzu. „Schmerzpatienten haben einen hohen Leidensdruck, sie halten ihre Situation oft kaum noch aus“, erklärt Schmerztherapeut Oliver Kramer. Und es sind viele Menschen, die diese Situation kennen. Nach Schätzungen leidet ein Drittel aller Deutschen unter chronischen Schmerzen, hierbei sind Kopf- und Rückenschmerzen die häufigsten Beschwerden.

Verhängnisvoller Kreislauf

Das Problematische an chronischen Schmerzen: Die ursprüngliche Funktion als Warnhinweis haben sie verloren und wirken sich zunehmend negativ auf die Gesundheit aus. „Wenn Schmerzen über einen längeren Zeitraum bestehen, kommt das sensible Wahrnehmungssystem durcheinander“, so Dr. Leisin vom Marsberger St.- Marien-Hospital. Das bedeutet, dass sich häufig keine rein körperliche Ursache für die Schmerzen finden lässt. Die chronischen Schmerzen setzen einen verhängnisvollen Kreislauf in Gang: „Betroffene haben oft eine deutliche Minderung ihrer Lebensqualität, denn die Schmerzen schlagen auf die Stimmung. Mit den Schmerzen entstehen Schlaflosigkeit, Anspannung und Stress. Es folgt der soziale Rückzug“, berichten die beiden Ärzte Oliver Kramer und Dr. Martin Leisin. Und diese Folgen können die Schmerzen wiederum verstärken. 

Beide Ärzte haben sich zu Schmerztherapeuten weitergebildet und arbeiten eng zusammen. Sie behandeln Patienten ambulant in der Schmerzambulanz des Brüderkrankenhauses und in der Praxis für Schmerztherapie im MVZ Westheim. Dort beginnt die Behandlung in der Regel mit einem Gespräch. Die Fachärzte informieren die Patienten nicht nur über die Entstehung und Verarbeitung ihrer Schmerzen, es wird auch ein psychologisches Erstgespräch initiiert. „Es ist wichtig, dass die Patienten ihre psychologischen Belastungen formulieren“, sagt Oliver Kramer. Außerdem klären die Ärzte über die Möglichkeiten der sogenannten multimodalen Schmerztherapie auf. Multimodal bedeutet „auf vielen Wegen“. Individuell auf den Patienten zugeschnitten entwickeln sie dann eine Therapie, wobei die gesamten Lebensumstände miteinbezogen werden sollen.

Dem Auslöser auf der Spur

Dr. Martin Leisin (li.) und Oliver Kramer sind Schmerztherapeuten in Marsberg und Westheim. Sie setzen auf eine multimodale Schmerztherapie und gehen die Beschwerden von verschiedenen Seiten an.

So unterstützt etwa ein Psychotherapeut die Patienten darin, einen angemessenen Umgang mit dem Schmerz zu lernen. Dabei gilt es, angstvolles Schonen genauso zu vermeiden wie krampfhaftes Durchhalten. In Gruppen- und Einzelgesprächen geht es um mögliche Umstände, die Schmerz auslösen oder fördern. Das können zum Beispiel ungelöste Konflikte in der Familie oder ständige Unter- oder Überforderung im Job sein. Andere Therapieansätze beinhalten Krankengymnastik oder Ergotherapie. Die Therapeuten zeigen gezielt Übungen, mit denen die Betroffenen ihren Umgang mit Schmerzen im Alltag verbessern können. 

Wenn sich Schmerzen eines Patienten nicht ambulant beherrschen lassen, kann ein stationärer Aufenthalt in der Abteilung für Schmerztherapie des St.-Marien-Hospitals ein Ausweg sein. Dort bekommen die Betroffenen neben den genannten Therapieansätzen beispielsweise naturheilkundliche Behandlungen, Faszientraining, Musiktherapie, Schulungen zum Thema „Schmerzentstehung und Verarbeitung“, zum Teil auch Ernährungsberatung. Außerdem überprüfen Ärzte die Dosierung der Schmerzmittel und passen diese gegebenenfalls an. Neben Gesprächen zur psychologischen Schmerzbewältigung wird eine Entspannungsgruppe angeboten, Wahrnehmungstraining und psychologische Einzelberatungen. 

Dass Schmerzen unabhängig von ihrer Entstehung eine Eigendynamik bekommen und zu einer eigenständigen Erkrankung werden, ist eine der Herausforderungen der Schmerzmedizin. Man könne sich das wie eine Spirale vorstellen, auf der sich mit hoher Geschwindigkeit alles im Kreis dreht, so Dr. Martin Leisin: „Im Nervensystem der Patienten hat sich eine Schmerzautobahn entwickelt. Diese Autobahn wollen wir wieder zurückbauen – gemeinsam mit den Betroffenen, in ihrem individuellen Tempo und mit den für sie am besten geeigneten Therapien.“ 

TEXT: CHRISTIANE BERNERT, JORIS HIELSCHER

 
 

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