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09.04.2015 / aktualisiert 03.12.2020

Kick im Kopf - Leben mit Parkinson

Ein Erfahrungsbericht

Stefan Huberty leidet seit zwölf Jahren an Parkinson. Heilung gibt es nicht, aber gute Behandlungswege, die das Leben wieder leichter machen. Der 49-Jährige erzählt von seiner Krankheit und einem Helfer in seiner Brust, der dem Hirn auf die Sprünge hilft.

Hirnschrittmacher - Ein Erfahrungsbericht

Wahnsinn, denke ich, wenn ich mich selbst auf Fotos von vor zwei, drei Jahren ansehe. Damals war meine Mimik stark eingeschränkt, meine Haltung gebückt. Heute geht es mir sehr gut: Meine Mimik ist lebendiger geworden, ich habe einen aufrechten Gang und kann wieder mit Messer und Gabel essen. Das war vor meiner Operation vor einem halben Jahr nicht mehr möglich. Ich leide seit zwölf Jahren an Parkinson, mit allen drei Hauptsymptomen: dem Tremor, durch den Parkinson im Volksmund auch als Schüttelkrankheit bekannt ist, versteiften Gelenken und eingeschränkter Beweglichkeit. Ich spiele gerne Skat, aber vor der Operation konnte ich die Karten kaum noch festhalten. Das Mischen fiel mir schwer, und selbst beim Aufnehmen wurde ich immer langsamer.

Neue berufliche Aufgabe

25 Jahre habe ich als Lehrer für Pflegeberufe gearbeitet. Aber auch das Unterrichten war irgendwann nicht mehr möglich, ich habe es nicht mehr geschafft, zwei oder gar vier Stunden konzentriert vor der Klasse zu stehen. Mein Arbeitgeber, das Brüderkrankenhaus in Trier, fand eine neue Beschäftigung für mich: Seit zwei Jahren organisiere und plane ich Fortbildungen. Dazu muss ich viel telefonieren und am Computer arbeiten, aber ich habe weiterhin mit Menschen zu tun. Auch wenn ich nicht mehr ständig vor einer Klasse stehe, halte ich manchmal Vorträge über meine Krankheit. Besonders stolz bin ich auf den Flyer für meine Selbsthilfegruppe. Ich habe sie vor fünf Jahren gegründet, inzwischen liegt die Information überall aus. Einmal im Monat treffen wir uns, vor allem jüngere Parkinsonpatienten. Manchmal sind wir um die 20 Leute, manchmal auch nur zu viert. Es ist wichtig, Menschen um sich zu haben, mit denen man sich austauschen kann. Wir erstellen zum Beispiel Protokolle über die Wirkung von Medikamenten. Wir lachen auch viel miteinander, spielen Boule oder feiern. Das ist wichtig, denn Parkinson ist unheilbar. Das heißt, ich muss damit leben - also muss man sich gegenseitig Mut machen.

Gehirnschrittmacher

Dank der Operation fallen mir viele Bewegungen wieder leichter. Und das Beste ist, dass ich montags wieder Skat spielen kann. - Stefan Huberty

In der Gruppe erzählte mir eine 72-Jährige, dass sie sich einen Gehirnschrittmacher hat einsetzen lassen. Das war vor einem Jahr. Schon früher wies mich mein Neurologe, Professor Dr. Matthias Maschke, darauf hin. Ich habe im Internet recherchiert und herausgefunden, dass diese Operation oft bei Menschen gemacht wird, bei denen die Medikamente nicht mehr anschlagen. Mir ging es noch relativ gut, aber ich bin auch auf die englische Studie "Early Stim" gestoßen: Ihr zufolge wirkt die Operation umso besser, je jünger der Betroffene ist. Damals dachte ich, ich zögere das lieber noch hinaus. Natürlich hatte ich Angst vor Komplikationen - man unterschreibt ja wie vor jeder Operation, was alles passieren kann. Da ist vom Schlaganfall bis zum Tod alles dabei. Doch ich konnte mich nach und nach immer schlechter bewegen, das Aufstehen vom Tisch fiel mir zum Beispiel sehr schwer. Außerdem sind die Nebenwirkungen der Medikamente schlimmer geworden. 

Die Behandlung: Der Gehirnschrittmacher

Der Gehirnschrittmacher: Eine Elektrode wird im Gehirn positioniert. Batterie und Elektronik werden im Brustkorb positioniert. Regelmäßig wird der Gehirnschrittmacher auf den Patienten kalibriert.

Gerade jüngeren Patienten kann ein Gehirnschrittmacher helfen. "Er funktioniert ähnlich einem Herzschrittmacher", sagt Professor Dr. Matthias Maschke, Chefarzt der Neurologie am Brüderkrankenhaus in Trier. Das Gerät wird in die obere Brusthälfte eingesetzt, zwei Elektroden im Gehirn harmonisieren die Arbeit der beiden Gehirnhälften, sodass die fehlerhafte Erregung eher unterdrückt wird. Dadurch wird die Beweglichkeit verbessert, das Zittern vieler Patienten nimmt ab. Die meisten brauchten auch nach dem Eingriff noch Medikamente - aber wesentlich weniger, so der Neurologe. Patienten, die seit einigen Jahren an Parkinson leiden, habe die Operation etwa ermöglicht, weiter im Berufsleben zu bleiben. "Junge Menschen fühlen sich durch die Nebenwirkungen der Medikamente und das Zittern stark eingeschränkt. Da kann eine Operation sehr sinnvoll sein", sagt Maschke.

Die Einschränkungen im Alltag wurden so groß, dass ich merkte: So geht es nicht weiter. Einerseits hatte ich nachts extreme Schlafstörungen, war jedoch am Tag oft sehr schläfrig. "Mensch, Papa, du schläfst jedes Mal ein, wenn wir würfeln", sagte meine Tochter zu mir. Also habe ich mich für den Eingriff entschieden. Sieben Stunden hat er gedauert, und die meiste Zeit davon musste ich mitarbeiten: die Augen bewegen, von 100 rückwärts zählen, meine Arme bewegen. Aber es war gar nicht so schlimm. Noch auf der Intensivstation habe ich gemerkt, wie viel leichter mir bestimmte Bewegungen fallen. Das war wie ein zweites Leben. In meiner Brust sitzt jetzt der Impulsgeber, so groß wie zwei Streichholzschachteln. Zwei Kabel verbinden ihn mit den Elektroden in meinem Gehirn, die mit kleinen Stromstößen die Hirntätigkeit harmonisieren. Als Fremdkörper habe ich das Gerät nie empfunden, und zum Glück muss ich nur noch wenige Medikamente einnehmen - in der Regel kann man sie reduzieren, aber nicht ganz darauf verzichten. Ich mache Physiotherapie im Bewegungsbad und progressive Muskelentspannung, das hilft bei der weiteren Regeneration, außerdem fahre ich unheimlich gerne Fahrrad. Und ich kann wieder jeden Montag Skat spielen!

Anderen Mut machen

Im Alltag fällt mir der Schrittmacher gar nicht mehr auf, nur beim Nachjustieren: Wenn die Voltzahl erhöht wird, fühlt sich das wie ein leichter Schauer an. - Stefan Huberty

Dass ich an dem Ort operiert wurde, an dem ich auch arbeite, ist schon gut. In der freien Wirtschaft wäre ich sicherlich schon Frührentner geworden. Hier haben mich viele Kollegen besucht, der Hausobere hat mich angesprochen, wie es mir ginge. Das ist toll - ebenso die Möglichkeit, dass ich jetzt andere Patienten beraten kann. Ich freue mich sehr, wenn mich jemand auf den Eingriff anspricht, denn wenn man aus solch einer Krankheit etwas Positives ziehen kann, dann ist es, Mut und Hoffnung weiterzugeben. Mir hat es die Entscheidung erleichtert, von Betroffenen zu hören, dass sie Verbesserungen spüren - und jetzt möchte ich genauso andere unter-stützen. Eine wichtige Rolle spielt natürlich das Verhältnis zum Arzt. Zu meinem behandelnden Neurochirurgen Dr. Gernot Surges hatte ich von Beginn an ein tiefes Vertrauen. Heute gehe ich zu ihm, um die Einstellung des Gehirnschritt-machers überprüfen zu lassen. Im Alltag fällt mir der Schrittmacher gar nicht mehr auf, nur beim Nachjustieren: Wenn die Voltzahl erhöht wird, fühlt sich das wie ein leichter Schauer an. Mir ist es wichtig, das Positive im Leben zu sehen. Ich habe nie mit der Krankheit gehadert - Gott sei Dank habe ich nur Parkinson! Es hätte mich viel schlimmer treffen können.

Aufgezeichnet von Paula Konersmann

Was geschieht bei der OP?

Impulse fürs Hirn: Ein Interview mit zwei Neurochirurgen

Bereits in den 1950er- und 1960er-Jahren wurden Gehirnschrittmacher, um den Parkinson-Gehirn "auf die Sprünge zu helfen". Heute sind die Risiken deutlich geringer und die Erfolgsaussichten viel besser. Die Neurochirurgen Chefarzt Professor Dr. Martin Bettag und Oberarzt Dr. Gernot Surges am Brüderkrankenhaus in Trier erklären, was bei der Operation passiert.

Prof. Dr. Martin Bettag
Dr. Gernot Surges

Wie arbeiten Neurologie und Neurochirurgie bei der Behandlung von Parkinson zusammen?
Bettag: Parkinson wird zunächst neurologisch behandelt, denn bei der Krankheit wird ein wichtiger Botenstoff im Gehirn nicht mehr ausreichend gebildet. Die Symptome lassen sich lange gut mit Medikamenten behandeln. Wenn die Krankheit fortschreitet und die Medikamente weniger anschlagen, können wir Neurochirurgen mit einer tiefen Hirnstimulation, also einer Operation weiterhelfen.

Wie verläuft diese Operation?
Surges: Die Operation ist zeitaufwendig, weil zwei Elektroden in die Tiefe des Gehirns gelegt werden müssen. Während der Operation erstellen wir eine Aktivitätskarte des Gehirns, um zu erkennen, welcher Bereich wie stimuliert werden muss. Dabei und bei der anschließenden Teststimulation ist der Patient bei Bewusstsein. Sowohl die Aktivitätskarte als auch das Ergebnis aus Wirkung und Nebenwirkung bestimmen die Lage der Elektrode. Nach der Elektrodenimplantation wird der Hirnschrittmacher unter Vollnarkose unter dem Schlüsselbein eingesetzt.

Und dann gilt der Patient als geheilt?
Bettag: Der Stimulator kann die Symptome über einen langen Zeitraum mildern, ein kurativer Ansatz ist die Operation nicht. Für die Patienten lässt sich die Lebensqualität meist deutlich verbessern.

Der Gehirnschrittmacher muss regelmäßig nachjustiert werden. Wie funktioniert das?
Surges: In den ersten Monaten nach der Operation wird die Einstellung des Geräts regelmäßig modifiziert. Mit der Zeit ist das nur noch seltener notwendig. In Absprache mit dem Patienten wird die Energie etwas erhöht, meist im niedrigen Voltbereich. Damit lassen sich eventuell wieder aufgeflammte Symptome gut unterdrücken.

Ursachen

Wie kommt es zu Parkinson?

Funktionsbeeinträchtigung des Gehirns bei Parkinson

Ein Mangel an Dopamin löst die Krankheit aus. Dieser körpereigene Botenstoff wird in der Hirnregion Substantia nigra gebildet und ist für die Regulierung verschiedener Funktionen wie etwa der Bewegung mitverantwortlich. Im Verlauf der Erkrankung sterben die Nervenzellen in der Substantia nigra ab, es wird weniger Dopamin gebildet und Bewegungsabläufe können nicht mehr richtig koordiniert werden. Sind etwa 60 Prozent der Dopamin herstellenden Zellen zerstört, entstehen die für Parkinson typischen Bewegungsstörungen. In der Mehrzahl der Fälle ist unklar, warum die Zellen absterben.

Durch das steigende Durchschnittsalter der Gesellschaft häufen sich die Fälle von Parkinson. Ab einem Alter von 60 Jahren steigt das Risiko für die Erkrankung. Parkinson kann heute gut behandelt werden. Wichtig ist zunächst die richtige Diagnose, erklärt der Chefarzt der Neurologie am Brüderkrankenhaus in Trier, Professor Dr. Matthias Maschke. "Viele Patienten gehen zunächst zum Orthopäden, weil sie Schmerzen haben. Manche landen erst nach zwei Jahren in der Neurologie." Medikamente können helfen, ergänzt wird die Therapie je nach Bedarf um neuropsychologische, physiotherapeutische oder logopädische Angebote.

Symptome

Daran erkennen Sie Parkinson

Symptom bei Parkinson: Zittern.
Symptom bei Parkinson: Abnahme der Motorik und Mimik.
Symptom bei Parkinson: Gleichgewichtsstörungen.

Erst zittern die Hände in der Ruhephase, dann ständig. Später können auch die Füße betroffen sein. Im Schlaf und während einer Bewegung tritt das Zittern nicht auf.

Aufstehen, drehen, gehen - die Bewegungen werden langsamer, die Haltung gebeugter, die Schritte kleiner. Mimik und Gestik nehmen ab.

Bewegungen können nicht mehr ausbalanciert werden: Es kommt zu einem unsicheren Gang und Stürzen.

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