Als Danuta Arndt wegen einer Lungenentzündung ihren Urlaub absagen musste, ahnte sie nicht, welch ein Glücksfall das war. Denn bei der Untersuchung im Brüderkrankenhaus Paderborn entdeckten die Ärzte einen Krebstumor in ihren Bronchien.
Eigentlich wollten Danuta Arndt und ihr Mann Werner Ende Mai Urlaub an der Mecklenburgischen Seenplatte machen. Der Luftkurort Waren an der Müritz wäre sogar ideal gewesen, um sich von der hartnäckigen Bronchitis zu erholen, die sie seit Wochen plagte.
Aber wenige Tage vor der Abreise, erzählt sie, sei etwas Ungewöhnliches geschehen: "Ich wollte mir wie gewohnt meine Frühstückszigarette anstecken, aber sie schmeckte mir überhaupt nicht." Einerseits war das eine gute Gelegenheit, ihren entzündeten Atemwegen - ganz ohne Entzugssymptome - eine kleine Auszeit zu geben. "Normalerweise rauchte ich 20 bis 25 Zigaretten pro Tag", berichtet Arndt. "Es musste mir schon ziemlich schlecht gehen, wenn ich nicht rauchen wollte." Dass dies ihre letzte Zigarette sein sollte, ahnte sie noch nicht. Doch heute kommt Arndt der Vorfall wie ein schlechtes Omen vor.
Der Entstehung von Lungenkarzinomen und anderen Krebserkrankungen vorzubeugen, heißt insbesondere eines: nicht rauchen. Onkologen gehen davon aus, dass das Rauchen von Tabak etwa ein Drittel aller Krebserkrankungen auslöst und 90 Prozent aller Karzinome in Mundhöhle, Kehlkopf und Lunge. Raucher haben gegenüber Nichtrauchern ein doppelt so hohes Risiko, an Krebs zu sterben. In der Altersgruppe der 35- bis 69-Jährigen ist die Sterberate unter Rauchern dreimal höher als unter Nichtrauchern. Bei mehr als zehn Zigaretten pro Tag verringert sich die Lebenserwartung bei Männern um 9,5 Jahre, bei Frauen um 7,5 Jahre. Wer das Rauchen aufhört, verringert sein Krebsrisiko. Nach fünf rauchfreien Jahren ist es bereits etwa um die Hälfte gesunken.
Quelle: Deutsche Krebsgesellschaft
Denn einen Tag später entwickelte sie plötzlich hohes Fieber. Da Wochenende war, fuhr ihr Mann sie in die Notaufnahme des Brüderkrankenhauses St. Josef in Paderborn. Dort diagnostizierten die Ärzte eine bakterielle Infektion der Atemwege und verschrieben ihr ein Antibiotikum. Am nächsten Montag überwies Arndts Hausärztin sie zur genaueren Diagnose zum Radiologen, und nach einer Röntgenuntersuchung stand fest: Danuta Arndt hatte eine schwere Lungenentzündung.
Statt für den Urlaub an der Müritz packte Arndt nun ihre Koffer für die Klinik. Im Brüderkrankenhaus St. Josef Paderborn wurde sie zwei Wochen lang stationär mit Antibiotika behandelt. Mit Erfolg. Die Lungenentzündung heilte gut ab. Nur das Röntgenbild machte den Ärzten weiterhin Sorgen: "Die Entzündungswerte waren gut", sagt Dr. Hans-Christian Buschmann, Chefarzt der Inneren Medizin und Pneumologie, "aber die Auffälligkeiten auf dem Röntgenbild bildeten sich nicht so zurück, wie wir es erwartet hatten."
Um die fragliche Stelle genauer zu untersuchen, führte Dr. Buschmann eine Lungenspiegelung durch: "Bei der Bronchoskopie haben wir auffällig verändertes Gewebe entdeckt, von dem wir sofort eine Probe entnommen haben." Die pathologische Untersuchung bestätigte, was Dr. Buschmann bereits befürchtet hatte: Danuta Arndt war an Lungenkrebs erkrankt.
"Die Diagnose war natürlich ein absoluter Schock", sagt sie. "Man geht mit einer gut behandelbaren Lungenentzündung ins Krankenhaus und dann … ja, diese Diagnose!" All das ereignete sich 2015. Aber noch heute, fast drei Jahre nach dem Befund, fällt es Arndt manchmal schwer, das Wort "Krebs" auszusprechen.
Die Angst, die sie und ihr Mann damals hatten, ist durchaus angebracht. Denn an Lungenkarzinomen sterben in Europa mehr Erkrankte als an jeder anderen Krebsart. Nicht nur, weil sie zu den häufigsten Krebserkrankungen gehört: "Lungenkarzinome wachsen in der Regel sehr lange ohne spürbare Symptome", sagt Dr. Guido Scholz, Chefarzt der Thoraxchirurgie und Leiter des Lungenkrebszentrums am Brüderkrankenhaus St. Josef Paderborn. "Deshalb werden die meisten erst entdeckt, nachdem sie Metastasen gebildet haben."
Und dann ist die Behandlung schwierig und langwierig. Oft kann der Krebs nur mit Chemotherapie oder Bestrahlung bekämpft werden. All das ist kräftezehrend und mit teils erheblichen Nebenwirkungen verbunden. Und manchmal kommt jede Therapie zu spät.
Bei Danuta Arndt aber gab es guten Grund zur Hoffnung: "Wir haben in einer Reihe von Untersuchungen herausgefunden, dass der Krebs noch nicht gestreut hatte", sagt Internist Dr. Buschmann. Über diese Ergebnisse beriet er sich gemeinsam mit Kollegen in der Tumorkonferenz. Im Fall von Danuta Arndt war sich das interdisziplinäre Gremium einig: Eine Operation müsste genügen, um den Tumor zu entfernen und die Krebserkrankung zu stoppen.
Die Tumorkonferenz ist ein wöchentlicher Termin, bei dem alle Ärzte zusammenkommen, die Krebspatienten behandeln. Gemeinsam entwickeln sie für jeden Erkrankten einen individuellen Therapieplan. Der Vorteil: Die Perspektiven der verschiedenen medizinischen Fachrichtungen kommen der Behandlung zugute.
Ob sie nach dieser Prognose so etwas wie Erleichterung spürte, daran kann sich Arndt heute kaum erinnern: "Mein Mann und ich, wir befanden uns in einem regelrechten Alptraum." Der verlängerte sich noch einmal, als die kurz bevorstehende Operation verschoben werden musste, weil sich mittlerweile der rechte, eigentlich gesunde Lungenflügel entzündet hatte.
Mitte Juli - also rund sechs Wochen nach der Diagnose - war es dann aber so weit: "Wir haben zunächst den oberen Teil des linken Lungenflügels, in dem der Tumor saß, entfernt", erklärt Thoraxchirurg Dr. Scholz den Eingriff. "Dann haben wir den unteren, nicht betroffenen Teil des Lungenflügels am zentralen Bronchialsystem wieder angenäht, um so viel Lungenfläche zu erhalten wie möglich."
Ende Juli wurde Danuta Arndt aus dem Krankenhaus entlassen. Die Operation, sagt Chirurg Dr. Scholz, habe sie sehr gut überstanden. Die Untersuchung weiterer Gewebeproben bestätigte zudem erneut, dass der Tumor noch keine Metastasen gebildet hatte. Den August hindurch folgten weitere Nachbehandlungen, Kontrolluntersuchungen und vier Wochen Reha. "So richtig zu mir gekommen bin ich eigentlich erst im September", sagt Arndt. "Da ist mir erst mal klar geworden, was für ein riesiger Glücksfall diese Lungenentzündung war. Sie hat mir das Leben gerettet."
Metastasen nennen Mediziner die Tochtergeschwulste des ursprünglichen Tumors. Sie entstehen, wenn Tumore benachbartes Gewebe besiedeln oder wenn sich einzelne Krebszellen herauslösen und mit Blut oder Lymphflüssigkeit in Organe streuen, ansiedeln und sich dort vermehren.
Auch wenn Danuta Arndt die schwere Krankheit recht glimpflich überstanden hat - ganz spurlos ist sie nicht an ihr vorübergegangen: Manchmal hat sie Schluckbeschwerden, weil sich ihre Speiseröhre in Richtung des Hohlraums verschoben hat, in dem ein Stück Lunge fehlt. "Und die Luft fehlt mir oft - beim Treppensteigen, beim Putzen, wenn wir etwas strammer spazieren gehen." Aber alles in allem geht es ihr heute wieder recht gut, sagt Arndt. Zweimal im Jahr geht sie noch zur Kontrolle, aber die Chancen, sagen die Ärzte, stünden gut, dass der Krebs nicht wiederkommt: "Frau Arndt hat ja erfreulicherweise das Rauchen aufgegeben", erinnert Internist Dr. Buschmann, "und das senkt das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, mehr als alles andere. Egal wie lang und viel man bisher geraucht hat."
Dass es dabei bleibt, da ist sich Danuta Arndt sicher. Mit ihren Lungen will sie für immer nun sorgsamer umgehen. Und den Urlaub am See holen Danuta und Werner Arndt seither jedes Jahr nach - allerdings in Castelletto di Brenzone am Gardasee.
Text: Jan D. Walter | Fotos, Video: André Loessel