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30.06.2021

Langer Atem bei Long Covid

Petra Reepen hat sich Anfang des Jahres mit dem Coronavirus infiziert und leidet noch heute unter Symptomen wie Atembeschwerden und Erschöpfung. Wie sie sind viele Menschen von den Spätfolgen einer Covid-19-Infektion, auch Long Covid genannt, betroffen. Therapeuten und Logopäden des Therapiezentrums am Katholischen Klinikum Koblenz · Montabaur helfen ihnen mit ganz unterschiedlichen Therapieformen.

Petra Reepen trainiert regelmäßig im Therapiezentrum. Ihre gewohnte Fitness hat sie noch nicht wiedererlangt.

Wenn Petra Reepen zusammen mit ihren drei Söhnen ihre gewohnte Runde durch den Wald läuft und keine Pause machen muss, dann ist es ein guter Tag. Aber häufig geht der 44-Jährigen auf der Steigung, die von ihrem Haus in einem beschaulichen Dorf im Westerwald in die Natur führt, die Puste aus und sie muss anhalten, um wieder ausreichend Luft zu bekommen. Seit sie sich im Januar 2021 mit Covid-19 infiziert hat, kämpft sie mit den Folgen. Vor der Erkrankung konnte die sportliche Frau ohne Probleme acht Kilometer weit joggen. 

Wie Petra Reepen geht es vielen Menschen in Deutschland und auf der ganzen Welt. Sie haben eine SARS-CoV- 2-Infektion überstanden, das heißt: Es sind keine nachweisbaren Coronaviren mehr in ihrem Körper. Dennoch leiden sie unter zum Teil heftigen Beschwerden. Zu den häufigsten beobachteten Symptomen gehören laut Robert Koch- Institut Müdigkeit und Erschöpfung, Kopfschmerzen, Atembeschwerden, Geruchs- und Geschmacksstörungen, kognitive Beeinträchtigungen, depressive Verstimmungen, Schlaf- und Angststörungen. „Es handelt sich um Patienten, die sich längst in der Genesungsphase befinden müssten, sich jedoch nicht weiter erholen. Statt einer Verbesserung müssen sie sogar immer wieder Rückschläge verkraften“, erklärt Dr. Patricia Sandrieser, Bereichsleitung Logopädie.  Dauern diese Beschwerden mehr als drei Monate an, spricht man von Long Covid oder vom Post-Covid-19-Syndrom.

Für mehr Lebensqualität

Die Logopädin und ihre Kolleginnen vom Therapiezentrum am Katholischen Klinikum Koblenz · Montabaur unterstützen Betroffene wie Petra Reepen bei der Linderung der Beschwerden. Da die Patienten in sehr unterschiedlichen Symptomen leiden, die in Schwere und Ausprägung stark variieren, entwickeln die Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden individuell angepasste Therapien an den drei Standorten. Die eigentliche Ursache der Erkrankungen können die Therapeuten zwar nicht beheben, aber sie helfen den Betroffenen, die Symptome zu kontrollieren, ein gehöriges Stück Lebensqualität zurückzugewinnen und zum Beispiel den Wiedereinstieg in den Beruf zu schaffen. 

Auch wenn Covid-19 unser Leben bereits seit anderthalb Jahren beeinflusst, ist über die Langzeitfolgen der Virusinfektion bislang wenig bekannt. Noch gibt es dazu wenig Studien; vielmehr laufen viele Untersuchungen gerade in mehreren Ländern erst an. Da sehr unterschiedliche Beschwerden auftreten, handelt es sich zudem nicht um ein klar abgrenzbares Krankheitsbild, die Begriffe Long Covid oder Post- Covid-19-Syndrom umfassen zunächst einmal alle langfristigen gesundheitlichen Schäden nach einer Infektion. Was aber mittlerweile sicher ist: Auch nach einem milden Verlauf können Langzeitschäden auftreten.

Die Atembeschwerden sind geblieben. Daher macht Petra Reepen ein- bis zweimal die Woche eine Atemtherapie.

Mehr junge Patienten

Das beobachtet auch Stefanie Ebner-Etzkorn, Therapeutische Leiterin des Therapiezentrums am Katholischen Klinikum Koblenz · Montabaur: „Zu uns kommen vor allem Patienten, die eine leichte oder mittelschwere Corona-Infektion hatten. Darunter sind auch junge, gesunde und berufstätige Menschen.“ Menschen mit einem schweren Covid-Verlauf oder ältere Erkrankte würden dagegen eher in einer Reha-Klinik weiterbehandelt. In der ambulanten Therapie betreuen sie hingegen mittlerweile mehr junge Patienten als noch vor der Pandemie.

Auch Petra Reepen gehört zu dieser Gruppe. „Zwar hatte ich großen Respekt vor dem Virus. Aber ich hatte mich nicht besonders gefährdet gesehen. Ich dachte: Ich bin gesund, mache Sport, ernähre mich gut und habe keine Vorerkrankungen“, erzählt die 44-Jährige. Die gelernte Krankenschwester und Ergotherapeutin arbeitet selbst im Therapiezentrum, sie ist also eine Kollegin von Stefanie Ebner-Etzkorn und Dr. Patricia Sandrieser.

Eine Vielzahl an Symptomen

Mit Covid-19 angesteckt hat sie sich wahrscheinlich bei einer Schlaganfall- Patientin, die sie als Ergotherapeutin auf der neurologischen Station Anfang des Jahres behandelte. „Und das, obwohl ich eine FFP2-Maske bei der Behandlung getragen habe“, erzählt sie. Auch eine Kollegin aus der Logopädie hat sich vermutlich bei der Patientin infiziert, die keine Covid-19-Symptome zeigte und bei der das Virus erst einige Tage später entdeckt wurde. 

Nach der Infektion entwickelte Petra Reepen eine ganze Reihe von Symptomen. Sie verlor den Geschmacks- und Geruchssinn, hatte kognitive Aussetzer und Wortfindungsstörungen, Schlafstörungen, ermüdete sehr schnell und litt unter erheblichen Atembeschwerden. Weil sie nur noch sehr schwer Luft bekam, ließ sie sich von einem Krankenwagen ins Krankenhaus bringen und dort umfangreich durchchecken. „Ich bin alleinerziehende Mutter von drei Jungs im Teenager-Alter. Da wollte ich wissen, was mit mir los ist“, berichtet sie. Doch bei der Untersuchung konnten die Ärzte nichts finden, wichtige Werte wie die Sauerstoffsättigung im Blut waren in Ordnung.

Auf Long Covid spezialisiert: Stefanie Ebner-Etzkorn (li.), Therapeutische Leiterin des Therapiezentrums am Katholischen Klinikum Koblenz · Montabaur, und Dr. Patricia Sandrieser, Leiterin der Logopädie am Marienhof Koblenz.

Kein schwerer Verlauf

Ähnlich wie bei vielen anderen Long- Covid-Patienten, die im Therapiezentrum betreut werden, verlief die Erkrankung in der Akutphase insgesamt nicht bedrohlich, die in der Regel rund vier Wochen dauert. Petra Reepen musste nie künstlich beatmet werden oder lag auf der Intensivstation. 

Nach drei Wochen kamen schließlich der Geschmacks- und Geruchssinn wieder, nach rund zwei Monaten hörten die kognitiven Aussetzer und Wortfindungsstörungen auf, erzählt sie. Doch Müdigkeit, eine rasche Erschöpfung und die Atembeschwerden sind bis heute geblieben. „Schon bei kleinen Reizen zeigen meine Bronchien eine Überreaktion. Ich kann nicht richtig einatmen und kriege keine Luft. Zudem muss ich stark husten“, sagt die 44-Jährige.

Belastungsprobe Alltag

Von solchen Symptomen erzählen auch viele andere ehemalige Corona-Patienten, berichtet die Leiterin des Therapiezentrums Stefanie Ebner-Etzkorn und erklärt, wie diese zusammenhängen: „Alltägliche Aufgaben wie Treppensteigen oder Einkaufen können zu einer Belastungsprobe werden. Die Lungenfunktion der Betroffenen ist stark eingeschränkt und sie leiden unter Kurzatmigkeit, da können solche Kleinigkeiten zu Erschöpfungszuständen führen.“ Eine weitere Folge kann das sogenannte Fatigue-Syndrom sein, bei dem die Betroffenen über anhaltende Müdigkeit, Erschöpfung und Antriebslosigkeit klagen. 

Das erlebt auch Petra Reepen. Sie ist schon häufig nach einfachen Tätigkeiten sehr erschöpft, durch die Atembeschwerden ist sie nur wenig belastbar. Seit Anfang des Jahres ist sie krankgeschrieben. Immerhin ist sie von Stimmstörungen verschont geblieben, die für viele Patienten ein großes Problem sind.

Wer ist betroffen?

Auch wenn die Datenlage zu den Spätfolgen von Covid-19 insgesamt noch schwach ist, haben Studien Risikofaktoren identifizieren können. Laut dem RKI sind Personen, die schwer an Covid-19 erkrankten, häufiger betroffen als Menschen mit einem milden Krankheitsverlauf. Auch erhöhen hohes Alter, Adipositas sowie Vorerkrankungen der Lunge und des Herzens das Risiko, an Spätfolgen zu leiden. Frauen klagen überdurchschnittlich oft über Erschöpfungssyndrome. Doch auch junge Menschen mit einem milden Verlauf und selbst Kinder können unter Spätfolgen leiden. Wie viele Menschen davon betroffen sind, kann bisher noch nicht verlässlich geschätzt werden. Eine deutsche Studie hat herausgefunden, dass zehn Prozent der Patienten mit zunächst geringen oder keinen Symptomen auch Monate nach der akuten Erkrankung an Spätfolgen wie Atembeschwerden, Schlaflosigkeit oder Müdigkeit litten. Hochgerechnet auf die Corona-Fälle in Deutschland wären das rund 350.000 Menschen.

Atem und Stimme

Durch Atembeschwerden verändert sich die Atemfrequenz, wodurch es den Betroffenen schwerfällt, Atmung und Sprechstimme zu koordinieren. „Wenn wir sprechen, wissen wir normalerweise intuitiv, wie lange unser Atem reicht, bis wir Luft holen müssen, und passen unsere Sprechpausen daran an. Wenn nun aber weniger Atem zur Verfügung steht oder wir Probleme beim Atmen haben, hat das natürlich Auswirkungen auf die Sprechstimme“, erklärt Dr. Sandrieser. Betroffene berichten, dass sie schnell heiser werden, die Stimme nicht mehr belastbar ist und schnell ermüdet.   

Was die unterschiedlichen Symptome auslöst, ist bisher nicht abschließend geklärt. Es gilt als unwahrscheinlich, dass das Virus selbst noch am Werk ist. Eine Theorie ist, dass Fragmente des Virus, wie Eiweißmoleküle, noch im Körper sind und Prozesse stören, auch wenn sie keine Zellen infizieren. Eine andere Möglichkeit: Long Covid wird durch ein fehlgeleitetes Immunsystem ausgelöst, das den Körper angreift. In einer der jüngsten Studien wurden Veränderungen bei den Blutkörperchen festgestellt. In Modellversuchen erproben Ärzte neue Therapieansätze für die Behandlung der Langzeitfolgen.

Die Auswirkungen der Corona-Infektion sind sehr vielfältig, daher wird die Therapie auf jeden Patienten individuell angepasst; meist eine Kombination aus Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie.

Individuelle Therapie

Im Therapiezentrum in Koblenz und Montabaur geht es hingegen darum, die Symptome zu lindern. „Die Auswirkungen einer Corona-Infektion sind sehr vielfältig, deswegen muss die Therapie auch auf jeden Patienten individuell angepasst werden“, betont die Logopädin. Die meisten erhielten eine Kombination aus Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie. Die Physiotherapie stärkt durch Atemübungen und Muskeltraining die Lunge, während die Logopädie mit Stimmtherapie unterstützt. 

„Gerade hat beispielweise eine Kollegin mit einer Stimmtherapie bei einer jungen Pflegerin angefangen, deren Stimme so angegriffen ist, dass sie keinen normalen Familienalltag bewältigen kann. Eine belastende Situation, wenn man das Kind aus dem Nebenzimmer nicht mehr rufen kann oder wenn die Unterhaltung am Tisch zu viel wird für die Stimme“, erklärt Dr. Patricia Sandrieser. Die Patientin komme regelmäßig zur Stimm- und Atemtherapie.

Atmung richtig steuern

Auch Petra Reepen macht ein- bis zweimal die Woche eine physiotherapeutische Atemtherapie, die das Ziel hat, die Lungenfunktion wiederherzustellen. „Ich konnte gar nicht mehr gezielt in meinen Bauch oder meine Brust atmen. Es ist wie eine Wahrnehmungsstörung“, erzählt sie. Früher hat sie Patienten Atemtechniken erklärt, jetzt hilft ihr eine Kollegin bei den Übungen. So lernt sie wieder, die Atmung gezielt zu steuern und wichtige Muskeln und Faszien zu lösen, was sie auch zu Hause übt. „Hier können wir in der Physiotherapie ganz praktisch helfen, indem wir den Menschen Übungen und Körperhaltungen mit an die Hand geben, mit denen sie sich selbst helfen können“, sagt Diplom- Sportwissenschaftlerin Ebner-Etzkorn. 

In der Therapie lernen Betroffene ihre jeweiligen neuen Belastungsgrenzen kennen – und sie zu respektieren. Eine Überlastung ist kontraproduktiv und schadet dem Genesungsprozess, so die Leiterin des Therapiezentrums. „Unsere Patienten erzählen uns immer wieder, dass ihr Umfeld ihnen sage, sie sollten sich nicht so anstellen. Hier ist es unsere Aufgabe als Therapeutinnen, den Patienten zu vermitteln, dass ihre Erkrankung ernst genommen wird und wir mit ihnen gemeinsam den Weg beschreiten.“

Es geht auf und ab

Dieser Weg ist bei Long Covid lang und beschwerlich, es braucht sprichwörtlich einen langen Atem. Denn die Beschwerden können Monate andauern oder sogar chronisch werden, sie sind mal schwächer, mal stärker ausgeprägt. Die Betroffenen durchlaufen oft Phasen, in denen es ihnen besser und dann wieder schlechter geht. 

Das durchlebt auch Petra Reepen. Seit der Erkrankung hat sie keinen Tag ganz ohne Beschwerden erlebt. „Aber es gab Tage, an denen dachte ich: Jetzt wird es besser“, erzählt sie. Das dauere manchmal drei oder sogar fünf Tage an, dann gebe es wieder Rückschläge. „In solchen Phasen fange ich doch an zu zweifeln“, sagt sie.

Physiotherapie stärkt durch Atemübungen und Muskeltraining die Lunge.

Unterstützung hilft

Doch unterkriegen lässt sie sich davon nicht. Die gelernte Krankenschwester und Ergotherapeutin, die Patienten mit Parkinson und nach einem Schlaganfall betreut hat, zeigt sich realistisch: „Ich gehe davon aus, dass ich noch lange mit Einschränkungen leben muss. Doch damit kann ich umgehen. Ich habe tolle Jungs, die mich, so gut, wie sie können, unterstützen, viele Freunde und super Kollegen.“ Auch mit der Kollegin aus der Logopädie, die ebenfalls an Corona erkrankt war und an den Spätfolgen leidet, tauscht sie sich aus. „Es hilft sehr mit jemandem zu reden, dem es ähnlich geht“, sagt sie. 

Noch muss sich die 44-Jährige gedulden, was ihr sichtlich schwerfällt. Sie ist ein Mensch, den man früher eher bremsen musste, ein „kleiner Wirbelwind“, wie sie es beschreibt. Jetzt muss sie regelmäßig ihre Atemübungen machen und zu Hause auf eine Verbesserung ihres Gesundheitszustandes warten. „Ich habe eine Riesenlust, wieder arbeiten zu gehen, rauszukommen, mit meinen Kollegen zu quatschen und mich um meine Patienten zu kümmern. So gerne würde ich das wieder tun“, erzählt sie mit Begeisterung. „Ich bin ein sehr sozialer Mensch.“ Und dazu gehört natürlich auch der Wunsch, mit ihren drei Söhnen ganz unbeschwert durch den Wald zu laufen.

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