Von klein auf wollte Anne Ignatius die öffentliche Apotheke ihres Vaters übernehmen und entschied sich dann doch für die Krankenhausapotheke. Sie leitet das paderlog Zentrum für Krankenhauslogistik und Klinische Pharmazie, in dem die Stationen alles bestellen können – von Medikamenten, über Medizinprodukte und Bürobedarf bis hin zu Blumenvasen. Warum sie heute nur noch wenig mit Arzneien direkt zu tun hat und es nicht vermisst, erzählt sie im Interview.
Ich bin 2007 als Berufsanfängerin in Paderborn eingestellt worden. Seit 2015 bin ich Chefapothekerin und seit Ende 2019 zudem Geschäftsleiterin des paderlog.
Mein Vater ist Apotheker – ich bin also mit dem Beruf groß geworden. Dabei hat mich besonders die Mischung aus Gesundheitswesen und Ökonomie gereizt. Damals dachte ich noch, dass ich die Apotheke meines Vaters übernehme. Nach mehreren Praktika in der öffentlichen Apotheke merkte ich jedoch, dass mir die Arbeit dort zu sehr auf den Verkauf fokussiert ist. Das konnte ich mit meinem naturwissenschaftlichen Anspruch nicht vereinbaren und habe deshalb mein praktisches Jahr in der Krankenhausapotheke der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf absolviert. Die Sicht auf das Wohl des Patienten und der wirtschaftliche Anspruch aus den vorhandenen Mitteln das Beste zu machen, hat mir dabei besonders gut gefallen. Mein Vater war natürlich erst einmal geknickt, aber heute ist er der Meinung, dass ich mich richtig entschieden habe.
In der Grundschulzeit war ich häufig nach der Schule bei meinem Vater in der Apotheke, bis meine Mutter von der Arbeit gekommen ist. Zu der Zeit konnte ich das Geschehen dort eher nur beobachten, mit zwölf konnte ich dann aber schon kleinere Aufgaben übernehmen, zum Beispiel unter Aufsicht Tee abzufüllen. Als sich abzeichnete, dass der Beruf etwas für mich wäre, habe ich im Hintergrund mitgearbeitet.
Nach dem Abitur war ich noch unentschlossen, deswegen habe ich meine Bewerbung zum Pharmaziestudium gerade noch so zwei Tage vor Ablauf der Frist eingereicht. Ich hatte kurz mit der Tiermedizin geliebäugelt, aber die Arbeitszeiten waren mir zu unregelmäßig – man kann nun mal nicht planen, wann ein Notfall eintritt. Rufbereitschaft haben wir zwar auch in der Apotheke, aber ein langandauernder Einsatz kommt sicherlich nicht so häufig vor.
Mich begeistert immer noch das Zusammenspiel aus Pharmazie, Medizin, Betriebswirtschaft, Personalmanagement und organisatorischen Fragen. Aufgrund unseres großen Versorgungskreises mit 21 Kliniken, 6 Rettungsdiensten, 5 Seniorenreinrichtungen, 5 Caritasstationen sowie 16 Arztpraxen und Medizinischen Versorgungszentren werden wir immer wieder mit neuen und vor allem sehr vielseitigen Fragestellungen konfrontiert, was ich sehr spannend finde. Dank meines Master of Business Administration kann ich hier Pharmazie und Geschäftsleitung miteinander verknüpfen.
Nein, dafür ist das paderlog mittlerweile einfach zu groß. Wir beliefern 21 Kliniken mit insgesamt 4.200 Betten und ich bin verantwortlich für 80 Mitarbeitende. Dabei nimmt Kundenbetreuung, Führung und Sicherstellung der betrieblichen Abläufe in pharmazeutischer und betriebswirtschaftlicher Hinsicht einen großen Teil meines Tages ein. Neben den administrativen Aufgaben geht es natürlich auch um eine stetige Weiterentwicklung des paderlog.
Deswegen habe ich mich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Das machen meine Kollegen, die das ohnehin viel besser können als ich. Aber auch wenn ich im Alltag nicht mehr in der Routine tätig bin: Vor dem Gesetz bin ich ganz klar für alles Pharmazeutische verantwortlich, was passiert.
Überhaupt nicht. Die Herzen vieler Apotheker hängen an der originären Pharmazie. Bei mir ist das anders: Aufgrund des großen Potpourri an Aufgaben wäre es für mich auch viel zu zeitintensiv mich in alle Bereiche so intensiv wie es nötig wäre einzulesen. Dafür haben wir hier in allen Abteilungen des paderlog unsere Experten, die den Überblick über den pharmazeutischen Markt behalten. Meine Talente liegen eher im Organisieren, Strukturieren und Umsetzen von neuen Ideen.
Das paderlog hat ein sehr breites Dienstleistungsspektrum und genießt in unserer Region einen ausgezeichneten Ruf. Trotzdem ruhe ich mich nicht gerne auf diesen Lorbeeren aus. Ich setze lieber die rosarote Brille ab und schaue kritisch hin – es gibt immer etwas zu verbessern: Wo sind wir noch nicht so gut aufgestellt? Wo könnten wir die Verwaltung, die Ärzte oder das Pflegepersonal noch mehr unterstützen? Da sprudelt es im Team nur so vor Ideen.
Wir schreiben jede Idee in eine riesige Excel-Liste. Kleinere setzen wir so schnell wie möglich um, aber in der Datei stehen auch Vorschläge, die zurzeit zum Beispiel technisch noch nicht machbar sind. Während der Coronahochphase konnten wir nicht viel nach rechts oder links schauen, aber wenn es wieder etwas ruhiger zugeht, geht es wieder an die Umsetzung guter Ideen, die je nach Größe durch ein umfangreiches Projektmanagement begleitet werden.
Eine unerschöpfliche Quelle an Ideen ist auch die Zusammenarbeit mit den Kollegen der pharmaceutical benefit management group (PBMG eG). Das ist ein Zusammenschluss von Apotheken von Krankenhäusern in ganz Deutschland, die sich untereinander austauschen und gemeinsam einkaufen. Im Gespräch mit den Kollegen erhält man immer wieder Anregungen für die eigene Apotheke.
Die pharmaceutical benefit management group (PBMG eG), ein Zusammenschluss von Apotheken von Krankenhäusern in ganz Deutschland, feiert in diesem Jahr ihr 10-jähriges Jubiläum. Gegründet wurde die Genossenschaft, um von einem gemeinsamen wirtschaftlichen Arzneimitteleinkauf zu profitieren. Ende der 1990er Jahre als freundschaftlicher Austausch von sechs Krankenhausapotheken gestartet und zum 1. Oktober 2010 professionalisiert, arbeiten heute 25 Krankenhausapotheken in ganz Deutschland in der pharmaceutical benefit management group (PBMG eG) zusammen – mit einem Arzneimittelumsatz von etwa 700 Millionen Euro. Darunter sind auch fünf Apotheken der BBT-Gruppe. Die Corona-Pandemie als Bewährungsprobe im Jubiläumsjahr machte die Vorteile des gemeinschaftlichen Einkaufs und der Vernetzung untereinander nochmals deutlich: Erfahrungsaustausch, gegenseitige Unterstützung, Liefersicherheit, Qualität und gut ausgehandelte Preise.
Wir profitieren vor allem von dem fachlichen Austausch untereinander. Mit einigen Kollegen habe ich engeren Kontakt, weil sie ein ähnliches Versorgungsspektrum und dadurch ähnliche Fragestellungen haben. Wenn einer zum Beispiel einen Antibiotika-Leitfaden erstellt, können wir ihn alle nutzen. Das ist eine unglaublich große Zeitersparnis. Aber natürlich ist es ein gegenseitiges Geben und Nehmen.
Ja, bei mir ist noch zu keinem Zeitpunkt ein solcher Gedanke aufgekommen. Wir sind alle per Du und unterstützen uns freundschaftlich. Das ist auch der Ursprungsgedanke der PBMG, die aus dem freundschaftlichen Austausch von sechs Apotheken entstanden ist.
Wenn nicht gerade Corona ist, haben wir fünf zweitägige Präsenzsitzungen pro Jahr. Dazu kommen regelmäßige Telefonkonferenzen. Das macht es leichter, die hart erarbeiteten Informationen weiterzugeben. Wenn man sich fremd ist, macht man das natürlich nicht so gerne.
Auf jeden Fall. Zum Beispiel mit der Produktion von Desinfektionsmitteln hatte keiner von uns Erfahrung, da haben die Telefonate schon geholfen. Einer hatte die Etiketten während der andere eine Herstellungsanleitung zur Verfügung stellte. Dann kam die Rückmeldung „Stopp, das stinkt total!“. Dann haben wir uns gemeinsam eine Lösung überlegt.
Natürlich ist das zeitintensiv, da meckern auch manche Kollegen manchmal. Aber im Endeffekt ist das einfach eine tolle Zusammenarbeit von der man nur profitieren kann. Ein einzelner könnte den gesamten Arzneimittelmarkt nicht mehr überblicken.
Wir versorgen unsere Kunden nicht nur mit Arzneimitteln, sondern auch mit Medizinprodukten, Hauswirtschafts- und Bürobedarf. Bei uns können die Häuser alles bestellen - vom Antibiotikum bis zur individuell hergestellten Zytostatikazubereitung, Kompressen und Hüftimplantate sowie Kugelschreiber und Toilettenpapier bis hin zur Blumenvase – eben einfach alles, was man auf Station gebrauchen kann. So sparen die Pflegekräfte Zeit, weil sie nicht bei jedem Produkt überlegen müssen, wo sie es bestellen und alles in einer großen Kiste geliefert bekommen.
Seit 2008 setzen wir Stationsapotheker ein, die in den Kliniken die Ärzte in der Arzneimitteltherapie beraten. Dadurch sind wir in einer ganz neuen Tiefe in die Behandlung von Patienten eingebunden und haben einen engen Draht zu den Ärzten, die uns gerne auch in schwierigen Fällen um Rat fragen.
Wir unterstützen das Brüderkrankenhaus St. Josef Paderborn sowie andere von uns versorgte Häuser in verschiedensten Themen, die manchmal auch über das Gebiet der Pharmazie hinausgehen wie zum Beispiel im Bereich des Entlassmanagements oder der Versorgungsassistenz.
Als reine Lagerfläche haben wir derzeit circa 1.300 Quadratmeter, aber das ist leider schon wieder zu klein. Aber daran arbeiten wir derzeit.