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13.11.2020

Wieder fit fürs Leben

Schon vermeintlich harmlose Krankheiten können im hohen Alter eine Vielzahl an Problemen verursachen. Weiter ein selbstständiges Leben zu führen, wird dann zur Herausforderung. In der Geriatrie im Diakonissenkrankenhaus Mannheim steht Senioren dabei ein interdisziplinäres Team aus Ärzten, Pflegern und Therapeuten zur Seite.

Helga Weber ist 86 Jahre alt und alleinstehend. Die Seniorin lebt in einer kleinen Mietswohnung. Ihre wichtigste Bezugsperson ist ihr erwachsener Sohn. Seit er vor einigen Monaten aus beruflichen Gründen in eine andere Stadt gezogen ist, telefonieren die beiden regelmäßig. Besucht hat er seine Mutter jedoch schon länger nicht mehr. Und so erfährt er auch erst nach einigen Tagen, dass sie ins Krankenhaus eingewiesen wurde. Der Hausarzt hat sie wegen anhaltender Rückenschmerzen in die Klinik für Geriatrie des Diakonissenkrankenhauses Mannheim eingewiesen. Der Fall ist zum Schutz der hochbetagten Patienten auf der Station, die oft auch an Demenz leiden, fiktiv, basiert aber auf einer echten Leidensgeschichte.

Die Ärzte in der Geriatrie sind darauf spezialisiert, Krankheiten zu behandeln, die vor allem im höheren Alter auftreten. Dieser Fachbereich der Medizin wird daher auch Altersmedizin genannt. In Baden-Württemberg absolvieren Mediziner nach ihrer Facharztausbildung zusätzlich eine Weiterbildung, denn ihre Aufgabe ist anspruchsvoll: Sie müssen nicht nur die akuten Beschwerden ihrer Patienten im Blick haben, sondern auch mögliche Vorerkrankungen und die persönlichen Lebensumstände jedes einzelnen berücksichtigen.

Den ganzen Menschen im Blick

Am Diako ist die Abteilung unter Leitung von Privatdozent Dr. Matthias Schuler dafür breit aufgestellt. Ärzte arbeiten hier eng mit Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden, Seelsorgern, Sozialarbeitern und Pflegekräften zusammen. „Unser Ziel ist es, die Menschen, die zu uns kommen, so zu stärken, dass sie wieder in ihr gewohntes Umfeld zurückkehren können. Wir wollen verhindern, dass sie pflegebedürftig oder pflegebedürftiger und dadurch abhängiger von anderen Personen werden“, sagt der Chefarzt. Die Klinik für Geriatrie ist eine von mehreren Anlaufstellen im Haus für Patienten mit altersbedingten Erkrankungen. Das Team ist speziell auf die Behandlung von plötzlich auftretenden Beschwerden wie akuten Schmerzen geschult.

Und so merkt Dr. Schuler schnell, dass Helga Weber nicht nur Probleme mit dem Rücken hat. Ihm fällt sofort der unsichere Gang der Rentnerin am Rollator auf. Im Gespräch mit den Ärzten erzählt die Seniorin dann, dass sie sich wegen der Rückenschmerzen nicht mehr bücken könne. Aus Angst vor Schmerzen führe sie die Bewegung gar nicht mehr aus. Die Folge: Zuhause kann sie sich in ihrer nicht behindertengerechten Badewanne nur noch eingeschränkt waschen, die Fußnägel zu schneiden, ist unmöglich und auch der Haushalt fällt ihr immer schwerer. Appetit habe sie kaum noch. Schmerzmittel möchte sie jedoch nicht nehmen, denn sie glaubt nicht an deren Wirkung.

Neue Motivation finden

Eine solche Kombination von Problemen beobachtet der Chefarzt häufig. „Mit zunehmendem Alter können schon vermeintliche Kleinigkeiten große Schwierigkeiten auslösen“, weiß er. So könne zum Beispiel eine Harnwegsinfektion oder Grippe einen hochbetagten Patienten so stark schwächen, dass er zuhause stürze und mit einem komplizierten Bruch ins Krankenhaus komme. Die notwendige Operation sei wegen des schlechten Allgemeinzustands dann unter Umständen mit höheren Risiken verbunden, die Rehabilitation könne deutlich länger dauern.

„Das ist eine Kaskade, die im schlimmsten Fall mit dem Tod endet“, sagt der Facharzt für Innere Medizin, Geriatrie und Schmerztherapie. Vor allem, wenn die Psyche mitbetroffen ist und Patienten der Lebensmut verlässt – so, wie es die Ärzte auch bei Helga Weber beobachten. Aus Angst vor Schmerzen verließ sie kaum noch ihre Wohnung und vernachlässigte sich selbst stark. In der Geriatrie des Diakos versucht das interdisziplinäre Team, solche Abwärtsspiralen zu unterbrechen. Dabei verfolgen die Experten einen ganzheitlichen Ansatz: „Im hohen Alter bestimmt oft nicht mehr die akute Erkrankung, wie lange und vor allem wie gut jemand noch lebt, sondern wie funktionsfähig der Körper noch ist“, erklärt Dr. Schuler.

Das Team tauscht sich jede Woche in einer Besprechung über die Fortschritte und Eindrücke der Patienten aus.

Individuelles Behandlungskonzept

Deshalb sei es wichtig, zusammen mit den Betroffenen und ihren Angehörigen Ziele zu definieren und diese gemeinsam mit den Therapeuten, der Pflege und den Ärzten zu erarbeiten. Patienten wie Helga Weber können unter der Woche tagsüber in die Klinik kommen, die Abende und Wochenenden aber in ihrer Wohnung verbringen und so Schritt für Schritt wieder mehr Verantwortung für sich selbst übernehmen.

Dabei schildert jeder seine Eindrücke zu den Fortschritten der Patienten und spricht Auffälligkeiten an, die in den Behandlungseinheiten aufgetreten sind. Mit geballter Expertise erarbeiten alle Beteiligten dann einen Therapieplan oder modifizieren den bestehenden.

Die Geriatrische Medizin behandelt vor allem Menschen über 70 Jahren mit Beschwerden und Erkrankungen, die im Alter vermehrt auftreten und häufig zu Beeinträchtigung der Lebensqualität führen. Ein Ansatz, der gerade vor dem Hintergrund der steigenden Lebenserwartung in Deutschland von zunehmender Bedeutung ist: Schon heute beträgt die Lebenserwartung laut Statistischem Bundesamt bei Männern 78,9 Jahre, bei Frauen 83,6 Jahre, Tendenz steigend. „Die immer größere Anzahl älterer Menschen benötigt eine adäquate Versorgung, denn die Lebenserwartung eines 80-Jährigen beträgt immer noch durchschnittlich acht Lebensjahre“, betont Privatdozent Dr. Schuler.

Betreuung von Anfang an

Die ist am Diako auch dann gewährleistet, wenn bereits ein Unfall passiert und ein Patient schwer gestürzt ist – der häufigste Grund für einen Aufenthalt in der Klinik für Geriatrie. Statistisch gesehen, hat jeder zehnte Sturz in höherem Lebensalter einen Knochenbruch zur Folge. Obwohl diese Patienten meist operiert werden müssen und zunächst auf der Station für Unfallchirurgie liegen, behandelt das Team der Klinik für Geriatrie sie täglich mit. Die Patienten müssen nicht verlegt werden und haben mehr Ruhe. Heute spricht man von einem „Zentrum für Alterstraumatologie (ZAT)“ in dem Patienten interdisziplinär und gemeinsam behandelt werden. Bei Schlaganfall-Patienten ist der Ablauf etwas anders. Zunächst werden diese in der hochspezialisierten Stroke-Unit behandelt. Sobald sich ihr Zustand ausreichend stabilisiert hat, unterstützen Altersmediziner die Neurologen.

Die Oberärztin im ZAT, Dr. Imke Sebastian von Reusner, betont: „Wir sind, wenn möglich, von Anfang an dabei und schauen auf die Probleme, die der Patient neben seiner Akuterkrankung sonst hat.“ Gerade hochbetagte Senioren leiden häufig an mehreren, oft chronischen Vorerkrankungen und nehmen dauerhaft viele Medikamente ein. „Wir haben all das im Blick und sprechen über die Perspektiven für jeden Einzelnen. Dabei ist es wichtig, keine Zeit zu verlieren“, sagt Dr. Sebastian von Reusner. Denn die Kraftreserven seien bei älteren Menschen begrenzt. Mit einer individuell abgestimmten Kombination verschiedener Therapien und der aktivierenden Pflege arbeiten alle in der Geriatrie zusammen daran, den Patienten wieder mehr Lebensqualität zu ermöglichen. „Wir wollen das Beste aus der Situation herausholen, damit die Menschen gestärkt zurück nach Hause gehen“, sagt die Oberärztin.

Zusammenarbeit im Zentrum für Altersmedizin

Da ältere Patienten aber auch häufig die Kompetenz etlicher anderer medizinischer Fachdisziplinen benötigen, sind diese am Diakonissenkrankenhaus seit 2007 im Zentrum für Altersmedizin (ZAM) zusammengefasst. Neben der Klinik für Geriatrie, der Geriatrischen Rehabilitation und der bereits erwähnten unfallchirurgischen Klinik, sind das die Kliniken für Neurologie und Urologie.

„Wir haben hier eine tolle Zusammenarbeit zwischen Therapeuten, Pflegern und Ärzten mit vielen Ankerpunkten. Wir stimmen uns eng ab und haben dabei immer im Auge, dass wir unsere hochbetagten Patienten nicht überfordern dürfen“, hebt Dr. Schuler hervor. Gerade, wenn eine Demenzerkrankung eine Rolle spiele, müsse man sehr behutsam vorgehen. Zu viele Untersuchungen und Behandlungseinheiten in kurzer Zeit könnten dann sogar schaden.

Gezieltes Aufbautraining

Die Behandlungsdauer auf der Station von Privatdozent Dr. Schuler ist deshalb mit durchschnittlich 12,7 Tagen recht lang. Das liegt nicht zuletzt an den sehr komplexen Krankheitsbildern der Menschen, die dort betreut werden. Bei Helga Weber gilt es etwa nicht nur, den Grund für ihre Schmerzen zu finden. Die Mediziner wollen auch verhindern, dass die alte Frau weiter abbaut. Außerdem möchten sie die Seniorin so weit stärken, dass sie nicht durch ihre Bewegungsunsicherheiten stürzt und sich schwer verletzt. Denn die Untersuchungen haben ergeben, dass sie an Osteoporose leidet. Ihre Knochen verlieren an Stabilität und sind besonders brüchig.

Ein gezieltes Krafttraining soll die erschlaffte Muskulatur von Helga Weber stärken und ihre Beweglichkeit verbessern. In Gesprächen versuchen die Mediziner außerdem herauszufinden, ob die schlechte Stimmung und fehlende Motivation der alleinlebenden Frau nur von ihren Schmerzen herrührt oder ob sie an Depressionen oder sogar einer beginnenden Demenz erkrankt ist.

Praktische Alltagshilfen

Schon während des Aufenthalts im Krankenhaus überlegen die Therapeuten, welche Hilfen der Seniorin den Alltag erleichtern können. Weil Helga Weber außer ihrem Sohn keine Angehörigen mehr hat, die sie unterstützen könnten, schlägt das Team vor, eine Einkaufshilfe in Anspruch zu nehmen und sich warme Mahlzeiten über ein „Essen-auf-Rädern“-Angebot liefern zu lassen. Außerdem soll regelmäßig eine Fußpflege durchgeführt werden. Um bei einem Notfall schnell Hilfe anzufordern, ist ein Hausnotruf sinnvoll.

Bevor sie wieder zurück nach Hause kommt, wird sie in der Klinik für geriatrische Rehabilitation weiterbehandelt. Diese ist direkt an das Akutkrankenhaus angeschlossen. Viele Patienten werden dort nach ihrem Krankenhausaufenthalt rehabilitiert und somit wieder fit für den Alltag gemacht. „Wir versuchen zu verhindern, dass Menschen pflegebedürftig werden. Die Reha ist dabei ein wichtiger Baustein“, sagt Dr. Schuler. Nach der Akutbehandlung können die Senioren sich zunächst in der stationären und, je nach Bedarf, später in der ambulanten Reha von ihrer akuten Erkrankung erholen und wieder zu Kräften kommen.

Patienten wie Helga Weber können unter der Woche tagsüber in die Klinik kommen, die Abende und Wochenenden aber in ihrer Wohnung verbringen und so Schritt für Schritt wieder mehr Verantwortung für sich selbst übernehmen.

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