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28.09.2018 / aktualisiert 02.04.2020

Leben im Augenblick

Der Alltag wird immer schneller und hektischer. Als Ausgleich geht der Trend zu einem bewussten Lebensstil - dabei taucht zunehmend der Begriff der Achtsamkeit auf. Ralf Braun ist Achtsamkeitslehrer, Seelsorger und stellvertretender Hausoberer am Katholischen Klinikum Koblenz · Montabaur. Er erklärt, was Achtsamkeit bedeutet und so aktuell macht.

Was genau bedeutet Achtsamkeit?

Achtsamkeit ist das Einüben eines "Lebens im gegenwärtigen Augenblick". Das ist nicht so einfach, weil wir mit unseren Gedanken und Gefühlen sehr schnell in der Vergangenheit unterwegs sind oder in Fantasien von der Zukunft. Die Achtsamkeitspraxis übt die Wahrnehmung des Augenblicks durch ein bewusstes Lenken der Aufmerksamkeit auf einzelne Bereiche der Wirklichkeit, etwa das Atmen, die einzelnen Sinne, Körperempfindungen oder Gefühle. Dabei wird geübt, die Wahrnehmungen nicht vorschnell zu beurteilen, sondern sie zu akzeptieren. Das hilft, aus belastenden Gedanken rauszukommen.

Inwiefern kann das für unser tägliches Leben hilfreich sein?

Die Achtsamkeit hilft wahrzunehmen, was gerade im Moment ist. Ob wir uns jetzt wirklich Sorgen machen müssen oder ob es nur unsere Vorstellungen sind, die Sorgen machen. Der Weg der Achtsamkeit ist dabei nicht einfach ein Appell, jetzt genauer wahrzunehmen oder gelassener zu sein. Es ist ein Übungsweg, der zu mehr innerer Ruhe, Gelassenheit und Zufriedenheit führen soll und Methoden anbietet, mit deren Hilfe ich meine Wahrnehmungsfähigkeit üben kann.

Woher kommt diese Idee der Achtsamkeit?

Als Übungsweg hat die Achtsamkeitspraxis ihre Wurzeln in der buddhistischen Tradition. Bei uns wird er vor allem als ein Weg zu bewussterem Leben unterrichtet, meist zur Stressbewältigung. Die Prinzipien und die Methoden der Achtsamkeit funktionieren aber unabhängig von religiöser oder spiritueller Lehre. Ich glaube, das liegt daran, dass hier einfach Menschheitswissen weitergegeben wird. Der Vorteil der Achtsamkeitspraxis ist, dass sie gut an unser heutiges Leben andocken kann.

Was genau macht Achtsamkeit heute so aktuell?

Wir sind vielen äußeren Reizen ausgesetzt, wie der Überflutung mit Bildern und Informationen oder dem allgegenwärtigen Lärm. Zugleich erleben wir, dass alles immer schneller und hektischer wird, sowohl im Berufs- als auch im Privatleben. Die Folgen sind Zerstreuung, Stress und innere Unruhe. Da setzt die Achtsamkeitspraxis an und bietet einen Weg, mit all dem umzugehen. Sie hilft, den Geist zu beruhigen und bei sich selbst zu sein. Und es sind einfache Übungen, für die es keine großen Voraussetzungen braucht.

Für wen ist das besonders geeignet?

Grundsätzlich für alle! Aber natürlich braucht es die Bereitschaft, das eigene Leben in den Blick zu nehmen und etwas daran zu verändern. In einem Achtsamkeitskurs wird vorher auch immer besprochen, ob dieser Weg mit seinen Übungen jetzt gerade für den Teilnehmenden passend ist.

Wie lässt sich das "Leben im Augenblick" konkret umsetzen?

Wenn gerade alles drunter und drüber geht, kann es schon helfen, für einige Augenblicke die Aufmerksamkeit auf das Atemgeschehen zu lenken und einfach zu spüren, wie mein Körper atmet, ohne dass ich das beeinflusse. Eine andere Übung ist, nur das zu tun, was ich gerade tue, etwa beim Telefonieren nur zu telefonieren und nicht nebenher noch eine E-Mail zu schreiben. Wenn man den Weg der Achtsamkeit übt, dann wirkt sich das im Alltag aus. Und das ist ein längerer Prozess.

Drei Übungen zur Achtsamkeit

Gegenläufiges Fingertippen

Legen Sie die Daumenkuppe auf die Kuppe des Zeigefingers und bei der anderen Hand die Daumenkuppe auf die Kuppe des kleinen Fingers. Beginnen Sie langsam nacheinander bei der einen Hand mit dem Daumen vom Zeigefinger auf den Mittelfinger, dann den Ringfinger und zum Schluss den kleinen Finger zu tippen und wieder zurück. Gleichzeitig beginnen Sie bei der anderen Hand mit dem Daumen am kleinen Finger und tippen dann auf den Ringfinger, den Mittelfinger, den Zeigefinger und zurück. Ziel ist eine gegenläufige Tippbewegung beider Hände. Zur Steigerung der Schwierigkeit können Sie dem Fingertippen zuschauen und das Tempo erhöhen.

Bewusstes Sitzen

Nehmen Sie zunächst wahr, dass Sie stehen. Setzen Sie sich dann bewusst auf Ihren Stuhl und stellen Sie die Füße so, dass beide Fußsohlen vollständig Kontakt zum Boden haben. Spüren Sie den Kontakt. Lenken Sie nun Ihre Aufmerksamkeit auf den Kontakt Ihres Körpers zur Sitzfläche. Nehmen Sie dabei Ihre Art des Sitzens nur wahr und beurteilen diese nicht. Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit danach darauf, wie Sie im Oberkörper aufgerichtet sind und wo sich Ihre Hände befinden. Schließlich lenken Sie die Aufmerksamkeit auf den Bereich von Schultern, Nacken und Hals.

A-L-I: Atmen - Lächeln - Innehalten

Unterbrechen Sie für eine vorher gewählte Zeit ihre derzeitige Tätigkeit. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die Atembewegung, die Sie in der Bauchdecke oder im Brustkorb wahrnehmen, und spüren Sie einfach, wie der Atem Ihren Körper bewegt. Lächeln Sie deutlich und spüren Sie, was dabei in Ihrer Gesichtsmuskulatur geschieht. Halten Sie so inne und verweilen mit Ihrer Aufmerksamkeit beim Atmen und Lächeln. Setzen Sie dann Ihre Tätigkeit fort.

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