Dass unsere Nahrung über Mund und Speiseröhre in den Magen gelangt, ist eigentlich ein selbstverständlicher Prozess. Gerät das Schlucken jedoch ins Stocken oder wird gar zur Qual, könnte eine Achalasie vorliegen. Diese seltene Erkrankung bleibt meist lange unentdeckt, was für die Betroffenen fatale Folgen haben kann. Professor Dr. med. Hauke Heinzow (rechts), Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin I im Brüderkrankenhaus Trier und Oberarzt Dr. med. Christian Wiebe erklären, was sich hinter einer Achalasie verbirgt und wie sich mittels Peroraler Endoskopischer Myotomie (POEM) die Beschwerden lindern lassen.
Herr Professor Heinzow, das Schlucken ist eigentlich ein unbewusster Prozess, vergleichbar dem Atmen. Oft treten Schluckstörungen als Folge eines Schlaganfalls auf, aber auch wenn ein solcher nicht vorliegt, kann für manche Menschen Schlucken zur Qual werden. Sie möchten den Fokus auf die Achalasie lenken. Warum ist Ihnen das so wichtig?
Professor Dr. med. Hauke Heinzow: Weil es sich bei einer Achalasie um eine seltene Erkrankung der Speiseröhre handelt, die oft übersehen wird. Ein Mensch von 10.000 muss im Laufe seines Lebens damit rechnen, daran zu erkranken. Das ist verglichen mit anderen Erkrankungen von Speiseröhre und Verdauungstrakt relativ wenig, aber es kommt uns auf jeden einzelnen Patienten an. Denn eine Achalasie schränkt die Lebensqualität der Betroffenen häufig stark ein.
Herr Dr. Wiebe, was ist denn eine Achalasie?
Dr. med. Christian Wiebe: Vereinfacht gesagt handelt es sich bei einer Achalasie um eine neurodegenerative Störung, die zum schleichenden Funktionsverlust der Nervenzellen im Plexus myentericus führt mit der Folge, dass sich der Schließmuskel zwischen Speiseröhre und Magen nicht mehr richtig öffnet. Die Folge sind Schluckbeschwerden oder unverdaute Nahrung, die sich vor der Magenöffnung aufstaut und wieder hochkommt. Auch können Schmerzen hinter dem Brustbein auftreten.
Welche Menschen sind denn besonders gefährdet?
Professor Heinzow: In der Regel trifft es
Menschen zwischen dem 25. und 60. Lebensjahr, wobei wir uns wie gesagt
klarmachen müssen, dass diese Erkrankung oft unentdeckt bleibt und zwischen
Symptomen und korrekter Diagnosestellung im Schnitt fünf Jahre liegen. Eine
Achalasie kann übrigens auch schon bei Kindern auftreten. Dann liegt aber meist
ein genetisch bedingtes Triple-A-Syndrom vor.
Sie sagten es bereits:
Die Diagnose erfolgt oft erst spät. Wie diagnostiziert man denn eine Achalasie?
Dr. Wiebe: Wurden mittels Endoskopie, sprich Magenspiegelung andere Ursachen ausgeschlossen, liefert die Manometrie die zuverlässigsten Hinweise. Hierbei handelt es sich um Verfahren, das den Druck im Verdauungstrakt misst und vor allem eingesetzt wird, um Störungen der Muskelbewegungen festzustellen. Ergänzend zeigt das Barium-Schluckbild in der radiologischen Diagnostik charakteristische Veränderungen. Dennoch bleibt die Erkrankung lange unerkannt – auch wegen der geringen Bekanntheit.
Herr Professor Heinzow, wenn die Diagnose gestellt wurde – was können Sie und Ihr Team an therapeutischen Optionen anbieten?
Professor Heinzow: Ziel aller Therapien ist es, den Druck am Ösophagussphinkter (UÖS), einem Muskelring am unteren Ende der Speiseröhre, zu senken. Neben der chirurgischen operativen Behandlung gibt es minimal-invasive endoskopische Methoden, die in aller Regel durch geübte Gastroenterologen durchgeführt werden. So dehnt beispielsweise die pneumatische Ballondilatation (PD) den Schließmuskel mechanisch und kann so den Abfluss in den Magen wieder erleichtern. Studien zeigen eine langfristige Beschwerdefreiheit bei bis zu 85 Prozent der Behandelten, insbesondere bei älteren Patienten. Häufig müssen mehrere Sitzungen erfolgen. Komplikationen wie Perforationen sind jedoch möglich.
Ein innovativer Ansatz ist die Perorale Endoskopische Myotomie (POEM). Dabei wird über ein Endoskop ein Tunnel in der Speiseröhrenwand geschaffen und der Muskel des UÖS gezielt durchtrennt. Studien zeigen exzellente Ergebnisse bei gleichzeitig geringem Risiko – auch bei fortgeschrittener Achalasie.
Grundsätzlich lässt sich sagen: Eine frühzeitige Diagnose ist entscheidend, um irreversible Schäden zu verhindern. Die gerade geschilderten endoskopischen Verfahren, wie wir sie bei uns im Brüderkrankenhaus durchführen, bieten effektive und schonende Therapiemöglichkeiten.
Die Fragen stellte Marcus Stölb
Foto: Marcus Stölb