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Dr. Markus Mai06.12.2021

Mit Fortschritt voran

Pflege und Gesundheit – Was in der kommenden Legislaturperiode kommt

Knapp acht Seiten widmet die Ampelkoalition in ihrem Koalitionsvertrag den Themen Pflege und Gesundheit. Acht Seiten eines insgesamt 177 starken Papieres umreißen die Leitplanken der kommenden Legislaturperiode zu diesen Bereichen. Sind die Weichen gut gestellt? Eine Einschätzung von Dr. Markus Mai, Leitung Gesundheits- und Sozialpolitik in der BBT-Gruppe.

Zumeist zufrieden waren die Kommentare und Reaktionen zu dem, was die Koalitionäre in wenigen Wochen für Pflege und Gesundheit verhandelt hatten. Und zugegeben, der Auftakt von Olaf Scholz, dem designierten Kanzler, zur Vorstellung des Koalitionsvertrages konnte sich sehen lassen: Eine Milliarde Euro für Bonuszahlungen für die Pflegekräfte in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen mit einem gleichzeitigen Steuerfreibetrag von 3.000 Euro, verkündete der SPD-Politiker. Wer jedoch denkt, der Bonus führe zu nachhaltiger Zufriedenheit, der täuscht sich sicher. In Krankenhäusern hat er eher das Gegenteil erreicht: Gerechtigkeitsdebatten, weil die Politik keine einheitliche Vorgehensweise bezüglich der Prämienempfänger festgelegt hat. Nachhaltige Verbesserungen können hier nur erreicht werden, wenn dauerhaft auch finanzielle Verbesserungen erreicht werden.

Der Koalitionsvertrag wurde in Form gegossen, als sich die vierte Pandemiewelle wieder so richtig aufbaute und unbestritten ist: Corona stellt seit letztem Jahr unser Gesundheitssystem und unsere Gesellschaft nicht nur immer wieder auf den Prüfstand, sondern hat viele Baustellen erst so richtig ins Rampenlicht gesetzt.

Intensivstation

Schwerpunkt liegt auf der Pflege

Den Pflegenotstand stoppen, Versorgungslücken schließen, die Digitalisierung voran bringen, die Finanzierung sicherstellen und Pflegebedürftige gleichzeitig entlasten – es sind viele Themen, die die neue Regierung angehen muss. Und viele der Punkte sind in den Maßnahmen, die sich die Koalitionäre nun auf die Agenda geschrieben haben, auch gut aufgenommen. Ein deutlicher Schwerpunkt liegt auf der Verbesserung der Situation der beruflich Pflegenden. So sollen nicht nur neue Instrumente für die Personalbemessung der Pflegekräfte im Krankenhaus eingesetzt werden, die Arbeitsbedingungen insgesamt sollen sich durch familienfreundlichere Arbeitszeiten oder die Steuerbefreiung von Zuschlägen verbessern. Auch in der stationären Langzeitpflege will die künftige Regierung den Ausbau der Personalbemessungsverfahren beschleunigen und die Gehaltslücke zwischen Kranken- und Altenpflege weiter schließen. Das sind erste richtige Schritte, besonders, wenn man sich etwa die kürzlich vorgestellte Studie der Barmer Ersatzkasse ansieht. Demnach fehlen in der Altenpflege bis zum Jahr 2030 etwa 81.000 Pflegefachkräfte, 87.000 Pflegehilfskräfte mit und 14.000 Pflegehilfskräfte ohne Ausbildung. Insgesamt erscheinen aber die im Koalitionsvertrag festgelegten Maßnahmen eher als Einzelbausteine. Erforderlich wäre jedoch eine an einer strategischen Perspektive ausgerichtete Planung zu der offensichtlich die Visionskraft ausgeblieben ist.

Ausbildung aufwerten

Arbeitsbedingungen und Bezahlung sind das eine, der Pflegeberuf muss auch insgesamt wieder attraktiver für junge Menschen werden – das ist bei weitem keine neue Erkenntnis, die Lage wird nur zunehmend ernster. Daher ist es richtig, dass die Regierung auch an der Ausbildung und den Kompetenzen etwas ändern will: „Die akademische Pflegeausbildung stärken wir gemeinsam mit den Ländern. Dort, wo Pflegefachkräfte in Ausbildung oder Studium bisher keine Ausbildungsvergütung erhalten, schließen wir Regelungslücken“, ist zu lesen. Zu einer deutlichen Entlastung und Unterstützung des Systems sowie einer reibungsloseren Versorgung der Menschen könnte beitragen, dass professionell Pflegende zunehmend heilkundliche Tätigkeiten übernehmen können und das neue Berufsbild der „Community Health Nurse“ geschaffen wird.

Digitalisierung weiter vorantreiben

Herausforderung Digitalisierung: Hier ist schon einiges in der Vergangenheit durch das Krankenhauszukunftsgesetz, die elektronische Patientenakte oder das E-Rezept Richtung besserer Vernetzung innerhalb des Gesundheitswesens und letztlich der Patientenversorgung auf den Weg gebracht worden. Nun geht es um die Fortschreibung der Digitalisierungsstrategie und der zügigeren Umsetzung etwa der telemedizinischen Versorgungsleistungen wie Videosprechstunde, Telemonitoring oder die telenotärztliche Versorgung. Da die Versicherten aber letztlich selbst übe die Nutzung der elektronischen Patientenakte entschieden können, bleibt abzuwarten wie zügig die Vernetzung tatsächlich die erhofften Effekte zeigt.
Für eine gute wohnortnahe Versorgung setzen verschiedene Maßnahmen an. Sie reichen von neuen quartiernahen Wohnformen, dem Ausbau medizinischer Strukturen wie etwa multiprofessioneller, integrierter Gesundheits- und Notfallzentren oder niedrigschwelligen Angeboten für Beratung, Behandlung und Prävention. Die ambulante Versorgung wird nach dem Willen der drei Koalitionsparteien weiter vorangetrieben.

Konkrete Antworten für Krankenhausplanung und -finanzierung fehlen noch

Vage bleibt hingegen die Frage der Krankenhausplanung und -finanzierung. Hierzu soll eine Regierungskommission Empfehlungen auf Grundlage von Leistungsgruppen und Versorgungsstufen erarbeiten, die die Erreichbarkeit und die demographische Entwicklung in der Bevölkerung miteinbezieht. Die Kommission soll ebenfalls Empfehlungen für eine Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung vorlegen, „die das bisherige System um ein nach Versorgungsstufen (Primär-, Grund-, Regel-, Maximalversorgung, Uniklinika) differenziertes System erlösunabhängiger Vorhaltepauschalen ergänzt.“ Diese Überlegungen sind absolut zu begrüßen.

Acht Seiten, die die Politik der kommenden Legislaturperiode in Gesundheits- und Sozialfragen umreißen und Antworten auf drängende Fragen geben – an einigen Stellen sehr konkret, an anderen noch recht offen formuliert. Aber was kommt danach? Wo bleibt die Strategie, die Vision, wie wir uns vor dem Hintergrund all der Herausforderungen im Jahr 2035 sehen? Ich vermisse eine umfassende Vision für eine zukunftsorientierte Gesundheits- und Pflegeversorgung, die mehr Strahlkraft und solide Grundlage für die Ableitung eines umfassenden politischen Maßnahmenpaketes zugleich bietet. „Mehr Fortschritt wagen“ ist das Koalitionspapier überschrieben. „Wagen“ – das klingt nach vorsichtigem Agieren und Abwarten. Mit Fortschritt vorangehen – würde mir da in der Tat besser gefallen.

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