Die Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit sind enorm – besonders leiden werden die verletzlichen Gruppen, Kleinkinder und ältere Menschen. Als Medizinerin weiß Dr. Diana Franke-Chowdhury das nur zu gut. Sie hat sich auf den Weg gemacht, die Komfortzone hinter sich gelassen und einige Initiativen gestartet. Was genau? Davon berichtet sie in diesem Blog-Beitrag.
Aufgerüttelt
hat mich zunächst meine Tochter: Sie wollte zu den Fridays for Future-Demos
gehen. Kurze Zeit später las ich in einer Fachzeitschrift etwas über die
Prävention von hitzebedingten Gesundheitsschäden älterer Menschen – das war so
etwas wie mein persönlicher Startpunkt. Je mehr ich mich mit der zunehmenden
Hitze und ihrer Auswirkung auf unsere Gesundheit beschäftigte, desto mehr wurde
mir bewusst, dass wir bisher weder in der Klinik, noch auf kommunaler Ebene
tätig geworden waren. Daran wollte ich etwas ändern. Ich sprach mit meinen Kolleg*innen
über die Folgen des Klimawandels für unsere Gesundheit und hielt Vorträge in
der Öffentlichkeit. Auch zur Stadt nahm ich Kontakt auf und habe schlussendlich
an der Entwicklung eines Hitzeaktionsplans für Mannheim mitgearbeitet.
Aber damit nicht genug! Je mehr ich las, desto mehr sorgte ich mich über die Zukunft der Menschheit. Es geht nicht nur darum, die Auswirkungen des Klimawandels – in diesem Fall die zunehmenden Hitzeperioden – abzufangen, sondern wir sollten alles dafür tun, damit es nicht noch heißer wird. Wie kann es eigentlich sein, dass in den letzten Jahren so wenig passiert ist, habe ich mich immer wieder gefragt. Es geht ja nicht nur um den Klimawandel, sondern auch um eine zunehmende Umweltverschmutzung durch den Plastikmüll in den Meeren oder der Feinstaubbelastung der Luft und nicht zu vergessen: das dramatische Artensterben. Apropos: Das Gesundheitswesen ist einer der größten Verursacher von CO2-Emissionen. Wäre das Gesundheitswesen ein Land, würde es an fünfter Stelle stehen.
Ich kann als Ärztin doch nicht einfach zuschauen, wie wir uns unsere Lebensgrundlage selbst entziehen. Wir müssen nicht darüber diskutieren, ob es den Klimawandel gibt – wir müssen darüber diskutieren, was wir tun können, um die größte Katastrophe der Menschheit, die gerade auf uns zurollt, aufzuhalten. Wenn wir jetzt handeln, kann es uns gelingen, 150.000 Leben pro Jahr allein in Deutschland zu retten – allein dadurch, dass wir die Feinstaubbelastung der Luft reduzieren, uns weitgehend fleischfrei ernähren und unsere Art der Fortbewegung ändern.
Und die Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit sind enorm. Leiden werden besonders die vulnerablen Gruppen wie Kleinkinder und ältere Menschen. Die Hitze verschärft chronische Erkrankungen, die Zahl der Todesfälle durch Herz-Kreislauferkrankungen, Lungenerkrankungen oder auch zerebrovaskuläre Erkrankungen wie zum Beispiel Schlaganfälle wird steigen.
Die klimabedingte Verschiebung von Vegetationsperioden kann außerdem zu mehr Allergien führen. Neuartige Krankheitserreger und -überträger breiten sich aufgrund veränderter Umweltbedingungen einfacher aus – es steigt also das Risiko für Infektionen mit Malaria, Borreliose, Gelbfieber und Dengue. Zudem führen die steigenden Temperaturen zu einer Zunahme von Stress, aggressivem Verhalten, depressiver Verstimmung und erhöhten Suizidraten. Extremwetterereignisse werden die Gesundheit direkt bedrohen. Rund 400.000 Menschen sterben jährlich in Europa vorzeitig wegen der Luftverschmutzung aus fossilen Brennstoffen.
Wir als Mitarbeitende des Gesundheitswesens genießen noch das Vertrauen der Bevölkerung und können mit darauf hinwirken, dass jeder sein Handeln überdenkt. Ein prominenter Vertreter unseres Berufsstandes, Eckart von Hirschhausen, hat die Stiftung „Gesunde Erde, gesunde Menschen“ gegründet, die das Thema stärker in die Öffentlichkeit bringen möchte. Radikal auf den Punkt brachte es kürzlich WHO-Generalssekretär Tedros Ghebreyesus bei der Vorstellung eines Sonderberichtes anlässlich der UN-Klimakonferenz COP26: „Die gleichen nicht nachhaltigen Entscheidungen, die unseren Planeten töten, töten Menschen.“ Er forderte alle Länder dazu auf, sich auf der COP26 zu entschlossenen Maßnahmen zu verpflichten, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen – „nicht nur, weil es richtig ist, sondern weil es in unserem eigenen Interesse liegt.“
Was habe ich mit all diesem Wissen gemacht? Manchmal fühlte ich mich wie gelähmt, nicht wissend wie ich auf diese Bedrohung reagieren sollte. Manchmal fühlte ich mich traurig und ich schämte mich auch, dass ich die letzten Jahre mein Leben einfach gelebt habe und alles, was uns die Natur zur Verfügung stellt und meinen privilegierten Lebensstil als Selbstverständlichkeit angesehen habe.
Schlussendlich habe ich mich auf den Weg gemacht, mein Leben nachhaltiger zu gestalten. Das gelingt mir leider noch nicht immer, aber immer häufiger: Ich ernähre mich überwiegend vegetarisch, versuche, auf Plastik zu verzichten und kaufe daher keinen Coffee to go, wenn ich keinen Mehrwegbecher dabei habe. Ich fahre so oft wie möglich mit dem Fahrrad, habe meinen Stromanbieter gewechselt und reduzieren meinen Konsum so gut es geht. Nach Venedig sind wir dieses Jahr nicht geflogen, sondern mit der Bahn gefahren – was während des Bahnstreiks gar nicht so einfach war. Ich engagiere mich bei KLUG, der deutschen Allianz für Klimawandel und Gesundheit, und in Mannheim bei Health for Future.
Am Diako Mannheim haben wir DARUM gegründet, Diako Arbeitsgruppe für Umwelt, Klima und Gesundheit. Das hat meinen Arbeitsalltag und mein Zugehörigkeitsgefühl zum Diako nochmals verändert – ich habe das Gefühl, dass wir Mitarbeitende gemeinsam etwas bewirken können. Dass wir es schaffen können, weiter Kolleg*innen zu überzeugen, ohne moralisierend zu wirken, dass wir Strukturen im Gesundheitswesen verändern können und dass es uns dadurch gelingt, auch eine Veränderung in der Gesellschaft herbeizuführen.
Wir sollten aufhören, darüber zu reden, auf was wir verzichten müssen, wenn wir ein nachhaltigeres Leben führen. Wir sollten darüber reden, was wir gewinnen: bessere Luftqualität, ein gesünderes und aktiveres Leben, eine Natur, in der wir uns gern aufhalten und die uns positiv beeinflusst. Städte, die nicht grau und schmutzig sind – sondern grün-blau und voller Aktivität.
Vielleicht denken manche, ich sei naiv, aber ich gebe nicht auf, daran zu glauben, dass die Menschheit aufwacht und erkennt, was sie zu verlieren und was sie zu gewinnen hat. Ich gebe nicht auf, daran zu glauben, dass eine Transformation möglich ist und dass es uns gelingen wird, dass die Menschen auch weiterhin einen Platz auf diesem Planeten haben werden – es gibt keinen anderen. Ich kann nur jeden ermutigen, aktiv zu werden, sich zu engagieren und einen Beitrag zu leisten.
Finde es klasse, dass Sie sich aufgemacht und Initiativen gestartet haben. Viel Erfolg und mehr Nachahmer damit!