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Dr. Hans Drexl / Manuela Hartl / Franziska Löblein04.06.2021

„Bleiben Sie gesund!“

Alltag auf der Corona-Station: Dr. Hans Drexl, Oberarzt auf der Corona-Intensivstation des Caritas-Krankenhauses Bad Mergentheim, Manuela Hartl, Stationsleitung der Isolierstation im Caritas-Krankenhaus und Franziska Löblein, stellvertretende Stationsleitung der Isolierstation, berichten hier im Wechsel, wie sie die Pandemie im Krankenhaus erleben - sehr eindrücklich und bewegend.

Foto: Archiv

Dr. Hans Drexl, 04.06.2021

Ganz viel Hell- und Mittelblau, daneben einige rosa Streifen und nur noch vereinzelt rote Flecken – der morgendliche Blick auf die Deutschlandkarte in den Medien mit den aktuellen Inzidenzwerten zeigt es deutlich: die Zahl der Corona-Infizierten geht jetzt spürbar zurück. In den vergangenen zwei Wochen seit meiner letzten Kolumne sind die Zahlen in unverhofftem Tempo geradezu nach unten gepurzelt. Ich hoffe, dass dieser Trend weiter anhält, auch wenn nach den Pfingstferien die Schülerinnen und Schüler wieder in den Regelunterricht zurückkehren und weitere Lockerungen in vielen Lebensbereichen Realität werden. Die Sehnsucht nach einem ganz normalen Alltag ohne Corona ist bei uns allen groß.

Genau wie die Sehnsucht nach einem „normalen Alltag“ auf unserer Intensivstation im Caritas-Krankenhaus. In diesen Tagen werden wir – so sieht es im Moment aus – die letzte COVID-19-Patientin von der Intensivstation auf die Normalstation zurückverlegen können. Ihr Zustand hat sich in der letzten Woche langsam aber stetig verbessert, sie braucht weniger Sauerstoff und muss nicht mehr beatmet werden. Das stimmt mich zuversichtlich, dass ich mich bald nach erfolgreicher Behandlung von ihr verabschieden kann. Kein COVID-19-Patient mehr auf der Intensivstation, zum ersten Mal seit rund acht Monaten! Das ist ein gutes Gefühl. Kein Grund zum Feiern, nein. Aber Erleichterung macht sich bei mir breit. Nicht, dass wir jetzt nichts mehr zu tun hätten – unsere Intensivbetten sind wie immer gut gefüllt mit vielen schwer kranken Patienten. Menschen mit Herzinfarkten, Schlaganfällen oder Lungenentzündungen und natürlich auch Patienten nach großen Operationen brauchen unsere ganze Aufmerksamkeit. Trotzdem ist das für einen Intensivmediziner Alltag – Normalität auf einer Intensivstation wie vor Corona.

Aus dem Krankenhaus verschwunden ist COVID-19 deswegen natürlich noch nicht. Es gibt weiterhin die Isolierstation für COVID-Patienten und -Verdachtsfälle, die Testpflicht für alle Patienten und viele andere Maßnahmen. Trotzdem ist dies jetzt ein guter Zeitpunkt, um unsere Serie zu beenden, mit der Manuela Hartl, Franziska Löblein und ich Ihnen in den vergangenen Wochen einen kleinen Einblick in unsere Arbeit auf den Corona-Stationen im Caritas-Krankenhaus gegeben haben. Wir hoffen alle, dass wir die Corona-Serie nicht noch einmal von neuem beginnen müssen, dass es nicht zu einer weiteren, vierten Welle kommen wird. Ganz verschwinden wird diese Krankheit auf absehbare Zeit zwar wohl nicht, vermutlich wird sie uns als Infektionserkrankung mit jahreszeitlichen Spitzen auch in Zukunft begleiten. Davon gehen jedenfalls Infektiologen und andere Wissenschaftler aus. Auch andere zur Gewohnheit gewordenen Maßnahmen, die Corona uns aufgezwungen hat, werden uns sicherlich noch einige Zeit bleiben: beispielsweise das Tragen von Masken, um Ansteckungen zu vermeiden, oder Schnelltests, um Infizierte zu entdecken und Superspreader herauszufiltern. Doch anders als im letzten Jahr gibt es jetzt eine wirksame Waffe gegen das Virus: mit jeder Corona-Impfung sinkt das Risiko einer erneuten massenhaften Ausbreitung. Daher möchte ich Sie, liebe Leserinnen und liebe Leser, an dieser Stelle ermutigen: lassen Sie sich gegen COVID-19 impfen, sobald Sie die Möglichkeit dazu haben. Es ist der Weg heraus aus der Pandemie, die Chance auf eine Rückkehr zur Normalität ohne Corona.

Auch für mich wird diese Normalität spürbar. In der nächsten Woche besuchen meine Frau und ich zum ersten Mal seit einem knappen Jahr wieder ein Konzert. Musiker, die live vor uns spielen, ein ganzes Sinfonieorchester, im selben Raum uns gegenüber und nicht durch einen Bildschirm getrennt. Ein unvergleichliches Erlebnis, durch keinen Livestream zu ersetzen. So hat sicher jeder von Ihnen Dinge, die im letzten halben Jahr nicht möglich waren und auf die er sich jetzt freut. Das Leben geht wieder los! Genießen Sie es, achten Sie auf sich, auf andere und vor allem: bleiben Sie gesund!

Aufgezeichnet von Ute Emig-Lange.

Manuela Hartl, 28.05.2020

Die Nachricht der Weltgesundheitsorganisation WHO von dieser Woche hat mich doch nachdenklich gemacht: Mindestens 115.000 Pflegekräfte sind weltweit im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion ums Leben gekommen, 115.000 Kolleginnen und Kollegen haben den Einsatz für ihre Patientinnen und Patienten mit dem Leben bezahlt. Wieder einmal wird mir klar, wie privilegiert wir in Deutschland doch sind. Ja, die Corona-Pandemie war für alle gleich neu, die Ansteckung für alle gefährlich – und doch hatten wir hier bei uns viel bessere Möglichkeiten, uns vor der Infektion zu schützen. Im Caritas-Krankenhaus war dank vorausschauender Planung immer ausreichend Schutzausrüstung vorhanden, Ärzte und Pflege konnten aus dem Vollen schöpfen und hatten immer Masken, Handschuhe, Schutzkitteln und Schutzbrillen für ihre eigene Sicherheit zur Verfügung. Auch wenn es einzelne COVID-Fälle unter Kolleginnen und Kollegen gab – Todesfälle sind bei uns zum Glück nicht vorgekommen.

Als Helden oder Heldinnen sehe ich uns in der Pflege trotzdem nicht. Corona ist die Ausnahme, nicht die Regel – und lebensgefährlich ist unser Beruf zu normalen Zeiten auch nicht. Der Applaus auf den Balkonen in den ersten Wochen war schmeichelhaft und hat gut getan. Auch die Corona-Prämie ist ein schönes Zeichen der Wertschätzung für unsere Arbeit. Aber viel mehr als das wünsche ich mir langfristig eine klare Perspektive und gute Arbeitsbedingungen für den Pflegeberuf. Der Beruf muss für junge Menschen wieder attraktiver werden, wir brauchen mehr Fachkräfte, die dauerhaft im Beruf bleiben, um die Arbeit auf mehrere Schultern verteilen zu können – und nicht noch mehr Bürokratie. Dabei gibt es den Fachkräftemangel nicht erst seit Corona. Seit Jahren wird in der Politik viel diskutiert, doch kaum etwas passiert, um die Situation nachhaltig zu verbessern. Ich wünsche mir für uns in der Pflege einen Masterplan statt sich ständig ändernder Einmalprojekte, ein langfristiges Konzept statt Übergangslösungen. Hierfür sollte man das Geld einsetzen. Auf die Corona-Prämie würde ich dann gerne verzichten. Zumal sie eigentlich zu spät kommt: die Belastung auf unserer Isolierstation geht in den letzten Tagen merklich zurück. Aktuell haben wir in der Regel zwischen zehn und fünfzehn Corona-Patient*innen auf unserer Station. Und obwohl wir durch erhöhte Sicherheitsvorkehrungen und Hygienemaßnahmen als Pflegekräfte einen Mehraufwand haben, bleibt unterm Strich für jeden einzelnen Patienten bzw. jede einzelne Patientin etwas mehr Zeit.

Die meisten von ihnen haben das Schwerste schon hinter sich: Einige kommen von der Intensivstation zurück, wo sie zum Teil mehrere Tage, einige sogar mehrere Wochen beatmet und intensivmedizinisch behandelt wurden. Nun befinden sie sich auf dem Weg der Besserung. Die Kolleg*innen der Physiotherapie kommen täglich und trainieren mit ihnen Bewegungsabläufe wie Sitzen, Aufstehen aus dem Bett oder Gehen am Rollator und zeigen ihnen Übungen, um die geschwächte Muskulatur wieder aufzubauen – physisch und psychisch eine enorme Herausforderung für Patienten im Alter von Mitte 60. Bei denjenigen, die zuvor invasiv beatmet werden mussten, ist häufig der Schluckreflex verloren gegangenen. Unsere Logopädinnen helfen dann geduldig dabei, diesen Reflex wieder zu erlernen. Auch bei den anderen COVID-Patienten auf Station sind die Perspektiven eher positiv: Sie bekommen zwar Sauerstoff zur Unterstützung der Atmung, aber alle sind relativ stabil, und im Moment sieht es so aus, als ob wir niemand auf die Intensivstation verlegen müssten.

Ist das jetzt schon das Ende von Corona? Noch traue ich dem Frieden nicht. Zu schnell gibt es zu viele Lockerungen, die die Menschen bis an die Grenzen – und manche leider auch darüber hinaus – ausnutzen. Meine Bitte: halten Sie auch weiterhin die Hygiene- und Abstandsregeln ein, um neue Corona-Infektionen zu vermeiden. Jeder weitere COVID-19-Tote ist einer zu viel.

Aufgezeichnet von Jasmin Paul.

Dr. Hans Drexl, 20.05.2021

Wie jeder andere interessierte Bürger verfolge ich die Diskussion um die politischen Entscheidungen zur die Bekämpfung der Corona-Pandemie. Es gibt doch eigentlich gar keine Pandemie? Nur eine Grippe, alles übertrieben? Planbare und stringente Öffnungsperspektiven! Welche Freiheiten für Geimpfte und wann? – Mehr oder weniger dauerhaft und heftig begleiten uns diese Diskussionen seit März vergangenen Jahres. Aus der isolierten Sicht eines Intensivmediziners wirkten manche Maßnahmen zu lasch und zu inkonsequent, auch wenn diese Sicht vermutlich eher wenige Mitbürger teilen mögen. Nichts desto trotz wollte ich mit den politisch Verantwortlichen und Entscheidungsträgern nicht tauschen. Und man muss festhalten: Zustände wie in manch anderen Ländern sind uns erspart geblieben. Nach der heftigen ersten Welle im März und April 2020 zu Beginn der Pandemie – unsere Intensivstation randvoll mit COVID19-Patienten, viele schwerstkranke alte Patienten, warnende Bilder aus den Nachbarländern – ist die Lage in Deutschland einigermaßen kontrollierbar geblieben, zumindest was die medizinische Versorgung dieser Patienten betrifft. Dank ganz vieler Schutzmaßnahmen konnten wir alle gemeinsam eine schlimmere Entwicklung verhindern. Als Personal auf den Intensivstationen sind wir dankbar für die von großen Teilen unserer Gesellschaft gelebte Rücksichtnahme und die Solidarität über viele Monate hinweg.

Nörgler und Besserwisser hingegen würde ich manchmal gern mit zu uns auf die Intensivstation im Caritas-Krankenhaus nehmen. Obwohl die Zahl der Neuansteckungen ja erfreulicherweise weiter zurückgeht, behandeln wir dort in dieser Woche so viele COVID-19 Patienten wie seit mehreren Monaten nicht mehr. Wir haben beatmungspflichtige Patienten aus den Nachbarlandkreisen übernommen, wo die Inzidenzen noch deutlich höher liegen als im Main-Tauber-Kreis und wo die Kapazitäten der Intensivstationen ausgelastet sind. Andere Patienten befanden sich schon auf unserer Isolierstation im Caritas-Krankenhaus, haben sich verschlechtert und müssen nun auf der Intensivstation weiterbehandelt werden. Ein weiterer Patient wurde aus der Universitätsklinik Heidelberg zu uns verlegt. Dieser Mann, etwa Mitte 60, war Mitte März mit schweren COVID-19-Symptomen in ein Krankenhaus unserer Region eingeliefert worden. Dort verschlechterte sich sein Zustand so gravierend, dass nur die Therapie mit einer ECMO, einem maschinellen Lungenersatz, sein Leben retten konnte. Diese Therapieform ist großen Zentren vorbehalten, der Patient wurde hierfür nach Heidelberg gebracht. Dort gelang es den Kollegen in den letzten Wochen, den Patienten erfolgreich zu behandeln. Nun, wo seiner Lunge eine „normale“ Beatmung über einen Luftröhrenschnitt wieder ausreicht, haben wir ihn zur Behandlung übernommen, um die Kapazität der Uniklinik zu entlasten. Gesund ist er natürlich bei Weitem noch nicht – die mehr als zwei Monate schwerster Erkrankung und komplizierter Intensivtherapie haben ihre Spuren hinterlassen. Er ist zwar bei Bewusstsein und reagiert mit Kopfnicken und Handzeichen auf unsere Fragen, die allermeisten für uns selbstverständlichen Körperfunktionen – Atmen, Sitzen, Stehen, Laufen, Sprechen, Essen, Schlucken, Verdauen, Ausscheiden – muss er sich aber mühsam in kleinen Schritten mit Hilfe unserer geduldigen Pflegekräfte und engagierten Therapeut*innen erst wieder erarbeiten. Ein weiter Weg liegt noch vor ihm.

Die Patientin im Zimmer nebenan haben wir vor wenigen Tagen von der invasiven Beatmung entwöhnen können, sie atmet wieder selbstständig und befindet sich ebenfalls auf dem langsamen Weg der Besserung. Für eine weitere beatmete Patientin ist die Prognose dagegen leider ungünstig und wenig hoffnungsvoll. Und noch ein weiterer Patient mit COVID-19 – Mitte sechzig und bis auf einen Diabetes mellitus bislang gesund – hat sich trotz aller unserer Bemühungen so verschlechtert, dass wir ihn heute verlegen mussten – an die Universitätsklinik in Würzburg zur ECMO-Therapie.

COVID-19 zeigt uns in dieser Woche auf der Intensivstation wieder einmal alle bösartigen Facetten ihres Gesichts. Als wolle die Krankheit noch einmal alle Zweifler und Leugner Lügen strafen. Trotz aller Impfungen, Lockerungen und sinkenden Inzidenzen: Noch ist es nicht vorbei.

Aufgezeichnet von Ute Emig-Lange.

Manuela Hartl, 12.05.2021

Seit ein paar Tagen bin ich von der Theoriephase meiner Weiterbildung wieder zurück auf Station und – ich traue mich fast nicht, es zu sagen – ich bin froh wieder hier im Caritas-Krankenhaus auf der Corona-Station zu sein. Die Arbeit hier macht mir Spaß und ich komme jeden Tag gerne zum Dienst. Das liegt sicher auch daran, dass wir gerade eine ganz andere Patientengruppe versorgen als noch vor wenigen Monaten. Betagte Menschen aus den Pflegeheimen sehen wir zurzeit auf meiner Station praktisch gar nicht mehr. Dank der Impfungen sind schwere Verläufe und damit auch Krankenhausaufenthalte wegen COVID-19 für ältere Menschen inzwischen eine absolute Ausnahme.

Die Patienten bei uns auf Station sind im Schnitt zwischen 40 und 60 Jahre alt und haben wenig Pflegebedarf. Die meisten können sich selbst duschen, anziehen und zur Toilette gehen, essen selbständig. Auch die Kommunikation mit den Angehörigen läuft selbstverständlich über das eigene Handy oder den mitgebrachten Laptop. Diese Patienten sind – mit Ausnahme ihrer COVID-Symptome – relativ fit. Das ist einerseits natürlich positiv. Andererseits birgt dies auch eine Gefahr. Denn viele der Patienten wollen nicht wahrhaben, wie sehr die Krankheit sie geschwächt hat, wie schnell sich ihr Zustand weiter verschlechtern kann. Sie können sich trotz aller Berichte in den Medien nicht vorstellen, was auf sie zukommen kann. Manche nehmen sogar einfach die Sauerstoffbrille ab, mit der wir zusätzlich Sauerstoff in die Lunge leiten, und verdrängen, dass sie immer schwerer atmen müssen. Das tut nämlich zunächst nicht weh, und so lange man im Bett bleibt und keine Belastung hat, scheint alles in Ordnung. Unsere Aufgabe ist es daher, noch häufiger als sonst den Zustand der Patienten zu kontrollieren und vor allem die Sauerstoffsättigung im Blut der Patienten zu messen. Manchmal verschlechtern sich die Werte rasant und dann bleibt nur die Verlegung auf die Intensivstation. Wie bei dem knapp 60-jährigen bisher vitalen Mann, der einfach nicht akzeptieren wollte, dass COVID-19 ihn aus der Bahn geworfen hat.

Gerade die jüngeren Patienten, die bisher kaum Krankheitserfahrungen gemacht haben, halten sich mitunter für unverwundbar. Doch COVID-19 darf man nicht unterschätzen. Das habe ich nicht zuletzt aus der Erfahrung mit diesen Patienten gelernt, die in meinem Alter sind oder nur wenig älter. Das hat mich auch meine Haltung zum Thema Impfung überdenken lassen. Ich gebe offen zu: ich war anfangs skeptisch gegenüber der Corona-Impfung. Ein neuer Impfstoff nur wenige Monate getestet, die Nebenwirkungen und eventuelle Spätfolgen noch nicht bekannt – das lies mich zögern. Schließlich bin ich gesund, habe keine Vorerkrankungen und im Krankenhaus mit allen Hygienemöglichkeiten gelernt, wie ich mich vor Infektionen schützen kann. Das Angebot, mich im Caritas-Krankenhaus impfen zu lassen, habe ich daher zunächst nicht angenommen. Doch inzwischen habe ich gesehen, wie segensreich der Impfstoff wirkt, wie viel Leid er verhindern kann – gerade auch bei jüngeren bisher gesunden Menschen. Daher habe ich meine Meinung geändert: Diese Woche bekomme ich bereits die zweite Impfung – und darüber bin ich sehr froh und ja, auch erleichtert. Ohne Scheu kann ich jetzt wieder meine Eltern und Geschwister besuchen. Und auch hier bei der Arbeit fühle ich mich sicherer. Das wollte ich mir zuvor nicht eingestehen. Deshalb rate ich jedem, der noch zweifelt: lassen Sie sich impfen; COVID-19 kann auch Sie schwer treffen.

Die Impfung gibt mir ein Gefühl der Sicherheit und auch ein Stück Freiheit zurück. Ich freue mich schon darauf, mich bald wieder mit Freundinnen im Café treffen zu können oder ohne Corona-Test zum Einkaufen oder zur Kosmetikerin gehen zu können; ein wenig Entspannung genießen – neben meiner Arbeit auf Station und dem Lernen für die Prüfung, die bald ansteht.

Aufgezeichnet von Ute Emig-Lange.

Dr. Hans Drexl, 06.05.2021

In meinem Bekanntenkreis macht sich angesichts der sinkenden Corona-Infektionszahlen Optimismus breit: bald wieder im Restaurant auf der Terrasse essen? Freunde und Familie treffen? Vielleicht sogar eine Urlaubsreise? Auch ich freue mich, dass all dies hoffentlich bald wieder möglich sein wird. Morgens bei Dienstbeginn auf den Intensivstationen im Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim wird mir allerdings immer wieder bewusst, wie unterschiedlich die Realitäten doch sind: die große Mehrheit der gesunden Menschen draußen, die sich auf eine Zeit ohne Corona-Einschränkungen freuen – und andererseits die Welt auf den fast immer voll belegten Intensivstationen, auf denen mehr als 20 schwer kranke Menschen um ihr Leben kämpfen.

Änderungen der Corona-Ansteckungszahlen machen sich auf der Intensivstation erst mit einer Verzögerung von zwei bis drei Wochen bemerkbar. Mindestens so lange, sicherlich aber noch bis weit in den Juni hinein müssen wir mit schwerkranken COVID-19 Patienten auf der Intensivstation rechnen. So wie ein Ehepaar, beide Mitte 50, die zurzeit bei uns liegen – jeder in einem separaten Zimmer, mit einer Schleuse davor, um die Übertragungsgefahr für das Personal und die Nicht-COVID-Patienten zu reduzieren. Ohne besondere Risikofaktoren leiden beide an einem schweren Verlauf. Wir beatmen sie nicht-invasiv, das heißt, dass wir ihre Atmung über spezielle Masken unterstützen. So kann ihnen mit Überdruck eine große Menge Sauerstoff zugeführt werden, die Patienten müssen hierfür aber nicht in Narkose versetzt werden. Regelmäßig telefonieren die beiden miteinander und versuchen sich gegenseitig Mut zuzusprechen. Und ich bin zuversichtlich, dass wir auf diese Weise die Erkrankung der beiden erfolgreich behandeln können. So viel Hoffnung in einen Zimmer – so viel Sorge im nächsten: einem älteren Patienten, seit längerer Zeit invasiv beatmet, ging es seit Tagen immer schlechter. Seine Lungen schafften es trotz aller Therapiemaßnahmen nicht mehr, genügend Sauerstoff aufzunehmen. Andere, erfolgversprechende Behandlungsansätze gab es nicht mehr, die COVID-19-Erkrankung hat die Lungen zu stark beschädigt. Gestern Abend ist der alte Herr verstorben.

Das ist Teil unserer Realität auf der Intensivstation: etwa ein Drittel der COVID-19-Patienten, die invasiv beatmet werden müssen, überlebt die Erkrankung nicht. Trotz moderner Hightech-Medizin sind wir am Ende machtlos. Das ist eine Erfahrung, mit der man sich als Intensivmediziner auseinandersetzen und die man akzeptieren muss. Ein Krankenhaus ist eben keine Autowerkstatt, in der man ein Ersatzteil auswechselt und danach läuft alles wieder wie geschmiert. Wir behandeln eben Menschen, nach bestem Wissen und mit all unserer Erfahrung – die Anerkennung als Intensivmediziner setzt unter anderem eine knapp zehnjährige klinische Ausbildung voraus, das Studium nicht mitgezählt. Die Arbeit auf der Intensivstation ist sehr vielfältig und abwechslungsreich, ebenso wie fordernd und anspruchsvoll. Das macht die Tätigkeit als Intensivmediziner für mich so reizvoll. Ich kann mit meiner Kompetenz Menschen in einer schweren, häufig lebensbedrohlichen Lage helfen; wir können auf der Intensivstation unseren Patienten das Leben retten. Wenn uns das gelingt, ist das für alle im Team enorm befriedigend und ein gutes Gefühl. Andererseits helfen wir den Patienten auch, wenn wir merken, dass Heilung und Weiterleben nicht mehr zu erreichen sind: dann können wir ein würdevolles Sterben ohne Angst, Schmerzen und Atemnot ermöglichen. Auch das ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit.

Ich hoffe sehr, dass uns auf der Intensivstation das Leben und Sterben von COVID-19-Patienten in absehbarer Zukunft nicht mehr begleiten wird. Mit jeder Impfung steigt mein Optimismus und meine Zuversicht, die Krankheit – wenn schon nicht auszurotten – dann doch wenigstens in Schach zu halten. Und ganz vorsichtig fange ich auch an, mit meiner Familie Urlaubspläne zu schmieden, vielleicht ein paar Tage in die Berge?

Aufgezeichnet von Ute Emig-Lange.

Franziska Löblein, 29.04.2021

Auch wenn es vielleicht komisch klingt – wir auf der Isolierstation im Caritas-Krankenhaus haben uns nach den vielen Wochen an Corona gewöhnt, es ist für uns inzwischen Alltag, wie eben viele andere schwere Erkrankungen auch, die wir bei uns auf Station sonst versorgen. Das heißt nicht, dass wir gleichgültig oder nachlässig geworden sind – ganz im Gegenteil: wir haben nach wir vor großen Respekt vor der Infektionsgefahr, keine von uns geht ohne Vollschutz in ein Patientenzimmer oder „nur mal schnell“ ohne Maske, um etwas zu holen. Denn oft genug haben wir erlebt, dass ein Patient plötzlich Hilfe braucht und man dann nicht geschützt wäre. Aber es gab und gibt eben auch andere Erkrankungen, die einen plötzlichen Verlauf nehmen können oder bei denen wir dem Patienten – trotz aller medizinischer Möglichkeiten – nicht mehr helfen können. Das ist Teil unseres Berufes und Teil unserer Arbeit.

Was mich zurzeit aber eher mit Zufriedenheit erfüllt: meine Kolleginnen und ich hier im Team können tatsächlich etwas gegen Corona tun. Wir sitzen nicht im Homeoffice vor dem Computer, starren nicht gebannt auf die Zahl der täglichen Neuinfektionen und vertrödeln Zeit in endlosen Diskussionen. Wir gehen jeden Tag auf Station, kümmern uns um die betroffenen Menschen, packen an und helfen ihnen. Das ist es, was meinen Job als Krankenschwester ausmacht und weshalb ich immer noch froh bin, dass ich diesen Beruf gewählt habe: Ich kann gezielt helfen, ich habe eine gute Ausbildung und genügend Erfahrung und weiß, was ich tun muss, damit es meinen Patienten besser geht, oder wie ich sie auch in schweren Stunden begleiten kann. Dazu gehört, dass ich der schwachen älteren Patientin bei der Körperpflege helfe, ihr das Essen anreiche und dass ich gemeinsam mit den Physiotherapeut*innen versuche, sie wieder aus dem Bett zu mobilisieren und auf die Beine zu bringen. Dazu gehört auch, dass ich den 50-jährigen COVID-Patienten in kurzen Abständen aufmerksam beobachte, regelmäßig seine Vitalzeichen messe, um bei einer Verschlechterung sofort reagieren zu können. Und dazu gehört selbstverständlich, dass ich den COVID-Patienten, die von der Intensiv-Station zu uns zurückverlegt werden, zuhöre, wenn sie von ihren Erfahrungen auf Intensiv erzählen.

Fast alle berichten von ihrer Angst, keine Luft mehr zu bekommen, der Furcht, bei klarem Bewusstsein zu ersticken. Diese Patienten sind dann oft sehr froh, wieder bei uns auf der Isolierstation zu sein, und genießen die neue Freiheit, sich ganz ohne Überwachungskabel und Zugänge im Zimmer frei bewegen zu können. Gut eine Woche dauert es in der Regel, bis diese Patienten soweit zu Kräften gekommen sind, dass sie wieder entlassen werden können. Schwieriger wird es, wenn der PCR-Test immer noch positiv ist, denn viele Reha-Kliniken oder Pflegeeinrichtungen nehmen keine positiven Patienten auf. Sie fürchten, dass dann die ganze Einrichtung unter Quarantäne gestellt wird oder andere angesteckt werden können. Auch das gehört zum Alltag auf Station: Patienten, die niemand übernehmen will.

Mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher: Corona wird nicht einfach aufhören und eines Tages verschwinden. Es wird eine Infektionskrankheit sein, wie andere auch – etwas ansteckender und gefährlicher für uns Menschen. Das haben wir durch unsere Arbeit auf der Isolierstation vielleicht etwas schneller realisiert als andere. Wir werden uns wohl im Krankenhaus dauerhaft darauf einstellen müssen, COVID-19-Patienten zu behandeln – auch auf meiner Station. Und dann ist es gut, Routine zu haben.

Aufgezeichnet von Ute Emig-Lange.

Dr. Hans Drexl, 20.04.2021

In den letzten Tagen hat sich die Lage auf der Intensivstation im Caritas-Krankenhaus etwas entspannt, was die Anzahl der COVID19-Patienten angeht ­– nur noch zwei Patienten, die invasiv beatmet werden müssen. Die anderen sind erfreulicherweise schon länger extubiert und auf dem Weg der Besserung. Bei der Frühbesprechung heute Morgen ein Neuzugang: eine Patientin von unserer Normalstation, die vermehrt Sauerstoff benötigt und nichtinvasiv über eine Maske beatmet werden muss – auf diesem Weg haben wir sie vorerst stabilisieren können. Normaler Alltag auf der Intensivstation in Corona-Zeiten. Leer ist die Station deswegen nicht: wir behandeln natürlich – wie vor der Pandemie – Patienten, die nach Herzinfarkten, nach schweren Operationen oder aufgrund lebensbedrohlicher Infekte intensivmedizinische Überwachung und Therapie benötigen. Denn diese Krankheiten verschwinden ja nicht einfach, nur weil es das Corona-Virus gibt. Also keine Entspannung in Sicht.

Nach der Frühbesprechung beginnt die Visite. Gemeinsam mit den Assistenzärzten und den Kollegen von der Pflege gehen wir von Zimmer zu Zimmer – bei den COVID-Patienten bedeutet das erst einmal: Schutzkleidung überziehen in der Schleuse vor jedem Zimmer mit infektiösen Patienten. Spezieller Kittel, Maske, Kopfhaube, Handschuhe und Schutzbrille – das ist mittlerweile für uns Routine. Zwei bis drei Stunden dauert die Visite, je nachdem, wie viele Patienten auf den Intensivstationen im Caritas-Krankenhaus liegen und wie es ihnen geht.

Länger dauert es, wenn alle zupacken müssen, um einen der invasiv beatmeten Patienten auf den Bauch oder wieder auf den Rücken zu drehen; ein Verfahren, das sich schon lange vor der Corona-Pandemie bei beatmeten Patienten mit Lungenversagen bewährt hat und das auch den beatmeten COVID-19 Patienten hilft. Durch langes Liegen auf dem Rücken verdichtet sich der unten liegende Teile der Lunge, der normalerweise am besten durchblutet ist und für einen guten Gasaustausch sorgt. Außerdem muss die versagende Lunge mit höherem Druck beatmet werden, was zu zusätzlichen Schädigungen des Lungengewebes führt. Um diesen Prozess zu unterbrechen und die Lunge zu entlasten, drehen wir die Patienten mehrmals von der Rücken- in die Bauchlage und nach jeweils 16 Stunden wieder zurück. Was dem gesunden Mensch mühelos in Sekunden gelingt, ist für den beatmeten Patienten und unser Team auf der Intensivstation eine Aktion, die gut vorbereitet werden muss und über eine halbe Stunde Zeit in Anspruch nehmen kann. Vor allem die verschiedenen Zugänge und Kabel, die ein Intensivpatient benötigt – der Tubus für die Beatmung, der zentrale Venenkatheter für die Gabe von Medikamenten, die Magensonde und der Blasenkatheter sowie alle Kabel für die Überwachung des Kreislaufs und der Beatmung – dürfen bei der Drehung nicht aus Versehen verrutschen oder gar aus dem Patienten gezogen werden. Je nach Größe und Gewicht unseres Patienten dreht ein Team von bis zu sechs Kollegen ihn zunächst vorsichtig zur Seite und schließlich ganz auf den Bauch, hält dabei die Schläuche und Kabel in Position und checkt danach alle Überwachungsgeräte und Einstellungen. Sehr wichtig hierbei ist zuletzt eine gute Lagerung des Patienten mit Hilfe verschiedener Kissen, sonst würde der Patient bis zur nächsten Drehung schwere Druckschäden im Bereich der unmittelbar aufliegenden Körperteile erleiden. Hier hilft vor allem die Erfahrung unserer Intensivpfleger, die mit großer Sorgfalt und Umsicht dieses Aufliegen und somit die Entstehung solcher Drucknekrosen verhindern.

Auch wenn der Aufwand hoch ist – er ist wichtig, denn er kann helfen, das Leben der schwer kranken COVID-19-Patienten zu retten. Für uns auf der Intensivstation ist das inzwischen tägliche Routine. COVID-19 ist in den letzten Monaten endgültig Teil unserer Normalität geworden, bestimmt unseren Alltag – gewissermaßen „der ganz normale Wahnsinn“.

Trotzdem hoffen wir, dass dieser Wahnsinn bald ein Ende haben wird. Ich bin unverändert zuversichtlich, dass wir durch die Impfungen und natürlich aber auch durch weitere persönliche Rücksichtnahme die Pandemie letztlich in den Griff bekommen. Damit ein neuer, alter Alltag auf die Intensivstation zurückkehrt.

Aufgezeichnet von Ute Emig-Lange.

Franziska Löblein, 15.04.2021

Neben all den schweren Schicksalen, die uns auf der Corona-Station im Caritas-Krankenhaus begegnen, gibt es dann doch immer wieder diese ganz besonderen Momente, die sich einprägen und die uns allen ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Dazu gehört die Entlassung des Ehepaares, das gut drei Wochen bei uns auf Station lag. Er und sie – beide weit über 80 – haben uns alle berührt. Egal ob bei der Visite, der Therapie, beim gemeinsamen Mittagessen oder beim Auskurieren im Krankenbett – er hält einfach immer ihre Hand. Die beiden haben beinahe ihr gesamtes Leben miteinander verbracht und trotz seines hohen Alters hat er sich schon zuhause um seine demente Frau gekümmert. Nun haben sie auch gemeinsam eine Corona-Infektion durchgestanden.

In den drei Wochen bei uns auf Station haben wir gemeinsam mit Ihnen gehofft und gebangt, denn zwischendurch ging es mal dem einen mal der anderen nicht so gut. Gegenseitig haben sie sich immer wieder aufgerichtet und nun haben sie es beide geschafft. Diese Woche wurden beide entlassen: Sie in die Kurzzeitpflege, er nach Hause. Als die Sanitäter seine Frau im Rollstuhl abholen, begleitet er bis zur Zimmertür und er hält – natürlich – ihre Hand.

Solche emotionalen Situationen, in denen man wirklich von Anfang an mitfiebert, erlebt man selbst bei uns auf der „Corona-Station“ selten. Inzwischen kommen die meisten der jüngeren Corona-Patientinnen und -Patienten oft erst dann zu uns, wenn sie wirklich schwer krank sind. Meistens erholen sie sich aber sehr schnell und gehen dann zurück in häusliche Quarantäne. Die Zahl der älteren COVID-19-Patienten geht erfreulicherweise etwas zurück. Sie bleiben in der Regel deutlich länger, viele sind aber mittlerweile über (Mobil-) Telefon so gut mit ihren Familien und Freunden vernetzt, dass sie von uns über die medizinischen Belange hinaus nur wenig Zuspruch benötigen. Bei den übrigen, meist alleinstehenden und/oder hoch betagten Corona-Patientinnen und -Patienten schlüpfen wir aber tatsächlich in die Rolle des Ansprechpartners und bauen in den täglichen Gesprächen eine persönliche Beziehung auf. Denn sie dürfen keinen Besuch bekommen und fühlen sich zusätzlich zu den eigenen gesundheitlichen Problemen einsam und allein. Natürlich springen wir dann ein. Der Pflegeberuf ist eben ganzheitlich. Und Pflegen auf Abstand – egal ob Körper oder Seele – funktioniert einfach nicht, noch weniger in einer Pandemie!

Kurz nach seiner Ehefrau durfte auch der Mann das Krankenhaus verlassen. Die schweren Atemwegsprobleme sind verschwunden, doch er muss sich auch zu Hause weiter von der Krankheit erholen. Er will – hat er uns erzählt – seine Frau dann so schnell wie möglich wieder zu sich holen. Denn die beiden waren kaum auch nur einen Tag voneinander getrennt. Ich wünsche ihm, dass sein Wunsch in Erfüllung geht. Damit die beiden Senioren nach überstandener Corona-Infektion hoffentlich noch lange zusammenbleiben können – natürlich auch weiterhin mit Händchenhalten!

Aufgezeichnet von Ute Emig-Lange.

Dr. Hans Drexl, 08.04.2021

Nach dem langen Osterwochenende machte sich Anfang dieser Woche eine gewisse Erleichterung bei uns auf der Intensivstation im Caritas-Krankenhaus breit. In der Karwoche hatten wir in unserem Team verschiedene Szenarien zum Notfallmanagement durchgespielt, Pläne für den Fall, dass wir rasch viele zusätzliche Intensivpatienten versorgen müssen. Doch der deutliche Anstieg der COVID-19-Patienten aus der Vorwoche hat sich glücklicherweise nicht im selben Tempo fortgesetzt. Die Intensivstation ist zwar wie immer gut ausgelastet, natürlich nicht nur mit COVID-19-Patienten. Die Kapazitäten reichten aber aus und die Notfallpläne konnten in der Schublade bleiben. Durchaus steigende Zahlen melden hingegen meine Kolleginnen und Kollegen von der Isolierstation, wo die Corona-Patienten mit weniger schwerem Verlauf behandelt werden.

Von dort hatten wir vor mehr als drei Wochen einen Patienten auf die Intensivstation übernommen, dessen Zustand sich erheblich verschlechtert hatte. Aufgrund eines schweren Lungenversagens hatten wir ihn intubieren müssen, ihn also in Narkose versetzt und über einen in die Luftröhre eingelegten Kunststoffschlauch (Tubus) beatmet. Seither musste der Patient – Mitte 60, vorerkrankt an Bluthochdruck und Diabetes – auf diese Weise beatmet werden. In diesem Zeitraum schwankte sein Zustand stark und war teilweise lebensbedrohlich, Lunge, Nieren und Kreislauf drohten zu versagen. Durch differenzierte Therapie ist es uns aber letztlich gelungen, seine Organfunktionen zu stabilisieren und schließlich konnten wir ihn Anfang der Woche extubieren, also die invasive Beatmung über den Tubus in der Lunge wieder beenden.

Doch das ist nur der erste Schritt auf einem langen Weg zurück in ein normales Leben. Viele Körperfunktionen brauchen Zeit und Training, um sich wieder zu erholen: essen, ausscheiden, atmen, sprechen, husten, sich bewegen – vieles von dem, was für uns normalerweise selbstverständlich ist, müssen Patienten nach einem so langen Aufenthalt auf der Intensivstation erst wieder neu lernen. Weil das Schlucken noch nicht funktioniert, werden die Patienten zuerst weiter über die Magensonde ernährt. Beim Atmen unterstützen wir durch zusätzlichen Sauerstoff über eine Maske, wir überwachen kontinuierlich den Kreislauf, um auf jede Veränderung sofort reagieren zu können. Schon die Ansammlung von Sekret im Rachen kann zum Problem werden, weil die Patienten oft noch zu schwach sind, um es abhusten zu können. Mit speziellen Stühlen bringen wir die Patienten von der liegenden allmählich wieder in eine sitzende Position. Die Kollegen aus der Physiotherapie kommen täglich, um die Muskulatur der Patienten zu trainieren und die Patienten allmählich wieder zu mobilisieren. Es ist ein Erfolg, wenn so ein Patient mit Hilfe von Physiotherapeut und Pflegekraft das erste Mal wieder auf seinen Beinen steht. Die Logopädie hilft bei Schluck- und Sprechproblemen. Manchmal dauert es Wochen, bis die Patienten so weit sind, dass sie von der Intensivstation auf die Normalstation verlegt werden können. Die Allermeisten brauchen im Anschluss eine Reha in spezialisierten neurologischen Reha-Kliniken, weil die Muskulatur und die Schnittstellen zwischen ihr und den Nerven unter dem körperlichen Abbau während der Zeit auf der Intensivstation besonders leiden.

Für unseren 60-jährigen Patienten bin ich guten Mutes: er wird es schaffen und wieder auf die Beine kommen – auch wenn sein Weg bis zur vollständigen Genesung noch lang sein wird. Solche positiven Verläufe motivieren mich und meine Kolleginnen und Kollegen für unsere tägliche Arbeit. Denn sie zeigen, dass unsere Therapien anschlagen und dass unseren Anstrengungen erfolgreich sind. Das gibt ein gutes Gefühl und macht es leichter, sich immer wieder auf neue Notfallszenarien einzustellen – und hilft auch damit zurechtzukommen, wenn bei anderen Patienten all unsere Mühen vergebens sind.

Aufgezeichnet von Ute Emig-Lange.

Manuela Hartl, 31.03.2021

Ostern 2020 – Ostern 2021: fast fühlt es sich für mich so an, als habe sich nichts verändert. Wie vor einem Jahr blicken wir mit einem Gefühl der Ungewissheit auf die anstehenden Feiertage: Wird die angekündigte nächste Corona-Welle an den Osterfeiertagen auf uns zurollen? Wie viele COVID-19-Patienten werden kommen? Wie viele Patienten werden wir auf der Isolierstation aufnehmen müssen, wie viele brauchen eine intensivmedizinische Überwachung und Behandlung?

Wie vor einem Jahr bereiten wir uns im Caritas-Krankenhaus auf alle Unwägbarkeiten vor. Obwohl auf meiner Station, auf der seit Monaten infektiöse und Verdachtspatienten behandelt werden, noch einige Betten frei sind, haben wir angefangen, eine zweite Station für die Aufnahme von Corona-Patienten zu räumen: wenn Patienten dort in dieser Woche entlassen werden, werden die Zimmer nicht mehr belegt. Patienten, die auch über Ostern im Krankenhaus bleiben müssen, werden auf andere Stationen verteilt. Apotheke und Materialwirtschaft haben uns noch einmal mit einer extra Lieferung an Medikamenten und Hygieneartikeln versorgt, Kolleginnen und Kollegen stehen bereit, an den Osterfeiertagen einzuspringen, falls wir zusätzliche Intensivkapazitäten brauchen. So vorbereitet waren wir in der Vergangenheit immer gut gewappnet und konnten alle Patienten gut versorgen. Warten wir also ab, was diesmal kommen wird. Es ist die Ruhe – vielleicht – vor dem Sturm?

Und doch ist einiges anders als vor einem Jahr. Wir wissen heute viel besser, wie wir uns vor Corona schützen können. Masken, Handschuhe, Schutzkittel sind so selbstverständlich, dass ich mir sofort „nackt“ vorkomme im Gesicht, wenn ich mal für ein paar Minuten am Schreibtisch die FFP2-Maske abnehme. Aber auch die Patienten, die auf Station behandelt werden, haben sich verändert: Waren es bis Anfang des Jahres viele ältere und hochbetagte schwerkranke COVID-Patienten, überwiegen jetzt bei uns jüngere Patientinnen und Patienten. Zurzeit sind die meisten etwa zwischen Anfang 30 und Mitte 50 oft mit Symptomen wie hohem Fieber, Schüttelfrost, starkem Schwindel und Abgeschlagenheit. Viele von Ihnen erholen sich nach einigen Tagen wieder, aber wir mussten in dieser Woche auch wieder drei jüngere Patienten mit schweren Verläufen auf die Intensivstation verlegen, wo die Kolleginnen und Kollegen dort nun versuchen, deren Zustand zu stabilisieren.

Obwohl wir seit über einem Jahr tagtäglich mit den positiv auf das Corona-Virus getesteten Patientinnen und Patienten zu tun haben, macht mich das Schicksal einzelner Patienten noch immer betroffen: das Ehepaar, das sich ein Zimmer teilt und gemeinsam gegen die Krankheit kämpft, die Schwangere, die sich um ihr ungeborenes Kind sorgt, der junge sportliche Mann, der noch immer nicht fassen kann, dass ihn die Krankheit plötzlich aus der Bahn geworfen hat.

Ostern 2021 steht leider immer noch ganz im Zeichen von Corona. Ganz ehrlich – das habe ich mir vor einem Jahr nicht vorstellen können.

Aufgezeichnet von Ute Emig-Lange.

Dr. Hans Drexl, 25.03.2021

Zugegebenermaßen war auch für mich das Hin und Her der Politik in dieser Woche frustrierend. „Ruhetage“ an Ostern – erst ja, dann nein. Und immer wieder die stückweise Verlängerung des Lockdowns ohne ergänzende Maßnahmen, obwohl die Fallzahlen darunter ja ansteigen. Einerseits kann ich die allgemeine Erschöpfung und den Überdruss darüber verstehen. Auch ich möchte gern wieder mit meiner Frau oder mit Freunden in ein Restaurant oder in ein Konzert gehen. Andererseits verfliegt diese Erschöpfung schnell wieder und wird unwichtig, sobald ich im Caritas-Krankenhaus auf die Intensivstation komme. Hier geht es um das Leben von Menschen, das ist entscheidend.

Gerade behandeln wir auf der Intensivstation einen Mitte fünfzig-jährigen COVID-19-Patienten. Er hat keine besonderen Vorerkrankungen oder Risikofaktoren, ist aber trotzdem schwer erkrankt. Seine Lunge kann momentan nicht genügend Sauerstoff aufnehmen. Wir versuchen, ihn mithilfe einer sog. „nasalen Highflow-Therapie“ zu stabilisieren. Bei diesem nicht-invasiven Verfahren erhält der Patient erwärmte, befeuchtete und sauerstoff-angereicherte Luft über eine Nasenbrille. Damit können wir dem Patienten bis zu 80 Liter Sauerstoff in der Minute zuführen. Die erkrankte Lunge wird so bei der Atmung unterstützt und kann trotz der Virusentzündung genügend Sauerstoff in das Blut transportieren. Wir hoffen, auf diese Weise eine Intubation des Patienten vermeiden zu können. Eine invasive Beatmung, bei der wir den Patienten in Narkose, also ein „künstliches Koma“ versetzen müssen, setzen wir immer nur dann ein, wenn die Sauerstoffsättigung so bedrohlich abfällt, dass uns keine andere Wahl bleibt. Ich bin optimistisch, dass wir es mit unserem Patienten schaffen – „über den Berg“ ist er aber noch nicht.

Drei der fünf Patienten bei uns auf der Intensivstation haben sich übrigens mit der sog. „britischen“ Variante des Virus infiziert. Diese Mutation ist also fraglos bei uns angekommen. Wir wissen, sie ist ansteckender und führt möglicherweise auch zu schwereren Verläufen als die zuvor bekannte Virusvariante. Und der Anteil der jüngeren COVID-19-Patienten mit schweren Verläufen bei uns im Caritas-Krankenhaus nimmt in den letzten Tagen zu.

Es gibt aber auch positive Entwicklungen. In dieser Woche konnten wir einen hochbetagten Patienten aus dem Pflegeheim mit einer COVID-Lungenentzündung nach fünf Tagen auf der Isolierstation in recht gutem Allgemeinzustand wieder entlassen. Er hatte sich wenige Tage nach seiner zweiten Corona-Impfung mit dem Virus infiziert – doch der Verlauf der Erkrankung blieb ausgesprochen mild, innerhalb von fünf Tagen hatte er die Erkrankung überwunden und konnte wieder ins Pflegeheim zurückkehren. Solche milden Verläufe haben wir bis vor Beginn der Impfungen bei diesen älteren Patienten nicht gesehen. Sie waren in aller Regel schwerer erkrankt, und das Virus war wochenlang bei den Patienten nachweisbar. Ein beträchtlicher Teil dieser Patienten ist leider auch verstorben. Dieser Herr hat seine Erkrankung hingegen in wenigen Tagen überstanden und war frei von Corona-Viren. Das ist neu und das ist ein gutes Zeichen, das Hoffnung macht. Denn es beweist, dass die Impfung ihre erhoffte Wirkung zeigt: sie schützt vor schweren Verläufen und sie schützt vor dem Tod durch COVID-19. Solche Verläufe machen Mut und helfen, den Frust über den Lockdown zu überwinden, denn sie weisen einen Weg aus der Pandemie: Impfen wirkt und Impfen schützt. Lassen Sie sich also impfen, sobald Sie die Möglichkeit haben!

Aufgezeichnet von Ute Emig-Lange. 

Manuela Hartl, 18.03.2021

Die Hoffnung, dass sich die Corona-Situation allmählich entspannen könnte, hielt genau bis vergangenen Freitag. Die Tage davor hatte sich die Zahl der Corona-Patienten bei uns auf der Isolierstation im Caritas-Krankenhaus auf einem einstelligen Niveau eingependelt ­– vorsichtig machte sich Optimismus bei uns im Team breit. Vielleicht doch schon Licht am Ende des Corona-Tunnels? Doch seit Freitag kommen täglich neue Patienten zu uns auf Station, mittlerweile sind es fast 20. Dass Corona mit solcher Wucht zurückkommt, damit haben wir nicht gerechnet.

Unter den Patienten sind durchaus auch schwere Fälle und ja – einige sind leider verstorben. Das waren ältere Patienten, die in ihrer Patientenverfügung eine Therapiebegrenzung festgelegt haben und darin invasive Maßnahmen ablehnen. In diesen schwierigen Situationen versuchen wir gemeinsam mit dem Patienten und den Angehörigen eine Lösung zu finden, die im Sinne des Patienten ist – und das heißt manchmal eben auch: die Therapie nicht unnötig verlängern, den Patienten während des Sterbens begleiten und ihm – falls notwendig – die Schmerzen nehmen. Natürlich dürfen die Angehörigen ihren Patienten besuchen und in diesen Stunden des Abschieds bei ihm sein. Und doch ist es für alle nicht leicht, denn auch dann tragen sie Masken und Schutzkleidung, um sich vor einer möglichen Infektion zu schützen. Worte müssen dann Nähe und Berührung ersetzen.

Auch für das Team auf Station ist das belastend. Doch ich bin unglaublich froh und dankbar, dass ich so tolle Kolleginnen und Kollegen habe, die mit Herz und Seele für die Patientinnen und Patienten im Einsatz sind. Wir motivieren uns untereinander und richten uns immer wieder gegenseitig auf. Das trägt uns. Viele von uns haben seit Beginn der Pandemie ihre sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert, verzichten auf Hobbies und meiden Treffen mit anderen. Sie kommen auf direktem Weg zur Arbeit und fahren danach sofort nachhause, um dem Corona-Virus möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten und sich selbst und andere vor einer Infektion zu schützen. Eine Erleichterung ist da, dass schon die meisten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf meiner Station gegen Corona geimpft sind. Trotzdem müssen wir weiter alle Schutz- und Hygienemaßnahmen einhalten, denn Entwarnung gibt es im Moment jedenfalls nicht – das haben wir in den vergangenen Tagen erlebt. Es bleibt ernst und ich hoffe, dass alle den Ernst der Situation erkennen und sich weiter an die Regeln halten. Bleiben Sie negativ!

Aufgezeichnet von Ute Emig-Lange.

Dr. Hans Drexl, 12.03.2021

In dieser Woche muss ich unsere Kinder aus der Notbetreuung in der Kita abholen und deshalb pünktlich direkt nach Dienstende losfahren, um rechtzeitig an der Kita zu stehen. 10 Minuten habe ich am Dienstag noch – Zeit um rasch die zwei Arztbriefe zu lesen, die auf meinem Schreibtisch liegen. Oben liegt ein Brief aus der Uniklinik in Würzburg. „Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege, wir berichten über Herrn P., geboren 1975, der sich von … bis … in unserer intensivmedizinischen Behandlung befand….“

An Herrn P erinnere ich mich sofort. Dieser Patient, nicht viel älter als ich selbst, wurde auf unserer Intensivstation wegen COVID19 mit schwerer Lungenentzündung behandelt. Wie häufig bei solchen COVID-Verläufen musste auch Herr P rasch nach der Aufnahme in unserer Klinik in Narkose versetzt und invasiv beatmet werden. Hierdurch ließ sich die Situation zwar einige Tage stabilisieren, danach verschlechterte sich sein Zustand jedoch trotz der Beatmung lebensbedrohlich. Die entzündete Lunge versagte vollständig. Letzte Möglichkeit, den Patienten zu retten: die sog. ECMO, die extrakorporale Membranoxygenierung. Eine Maschine übernimmt dabei die Funktion der Lunge: das Blut wird aus dem Körper herausgeleitet und durch die Maschine mit Sauerstoff angereichert, gleichzeitig wird Kohlendioxid entzogen. Das so behandelte Blut wird dann wieder in den Körper zurückgepumpt. Auf diese Weise gewinnt man Zeit für die Behandlung und Erholung der Lunge, denn der Patient soll ja irgendwann wieder ohne Maschine selbst atmen können. Ein hochkomplexes Verfahren, das nur in wenigen spezialisierten Zentren angeboten wird. Im Caritas-Krankenhaus arbeiten wir in solchen – zum Glück seltenen – Fällen eng mit der Universitätsklinik Würzburg zusammen. Ein Hubschrauber bringt die Kollegen und Geräte zu uns, der Patient wird vor Ort an die Maschine angeschlossen und dann zur Weiterbehandlung nach Würzburg gebracht.

Ich überfliege den Arztbrief der Kollegen aus der Uniklinik. Anamnese, Diagnostik, Befunde, Labor, weiterer Verlauf: nach Anschluss an die ECMO Zustand stabilisiert…, dann Komplikation, Notoperation, totales Kreislaufversagen, Wiederbelebung erfolglos. Herr P ist in Würzburg verstorben, er wurde 45 Jahre alt.

Sicher, die meisten Menschen, die an einer COVID-Erkrankung sterben, sind älter als 80 Jahre und vorerkrankt. Das zeigt die Statistik und auch unsere Erfahrung im Caritas-Krankenhaus. Aber es können eben auch junge Menschen schwer an COVID-19 erkranken und daran versterben. Herr P. hatte keine besonderen Vorerkrankungen, keine besonderen Risiken, die den schweren Verlauf der Erkrankung vorhersehbar gemacht hätte. Eigentlich hätte er es schaffen müssen – hatte ich gedacht und gehofft; zuerst während der Therapie bei uns, dann auch noch nach der Verlegung nach Würzburg, obwohl ich natürlich weiß, wie lebensbedrohlich krank jeder Patient ist, der so eine ECMO-Therapie benötigt. Gleich fallen mir noch andere jüngere Patienten wieder ein, die wir ebenfalls durch COVID-19 verloren haben, obwohl sie nicht zur Risikogruppe gehörten. Wieder vergeblich gehofft. Aber auch als Arzt muss man manchmal an seine Hoffnungen glauben.

Den zweiten Brief auf meinem Schreibtisch hebe ich mir für morgen auf. Heute fahre ich lieber etwas langsamer zur Kita.

Aufgezeichnet von Ute Emig-Lange.

Dr. Hans Drexl, 08.03.2021

Mittwochnachmittag. Sprechstunde für Patienten, die zu Kontrolluntersuchungen einbestellt sind. Fast alle von ihnen benötigen eine Echokardiografie, also eine Ultraschalluntersuchung des Herzens. Dafür bin ich heute zuständig. Kardiologische Routinearbeit. Wie immer ist der Zeitplan dicht getaktet. Ich komme ins abgedunkelte Zimmer, der Patient liegt bereits auf der Liege und ist für die Untersuchung vorbereitet. „Guten Tag, Dr. Drexl, ich mache bei Ihnen den Ultraschall", begrüße ich den Patienten. „Ich weiß", antwortet der Mann auf der Liege. "Erkennen Sie mich noch, Doktor?" Ich muss kurz überlegen. Herr M. So heißen viele... Und das Gesicht? Nicht immer erkennt man im Dunkeln seinen Maske-tragenden Gegenüber gleich. Doch wenige Momente später kann ich ihn einordnen. Natürlich! „Herr M, ja prima! Wie geht es Ihnen denn?“

Herr M, ein knapp sechzigjähriger Mann, lag fast zwei Monate wegen einer schweren COVID19-Erkrankung in unserer Klinik. Los ging es bei ihm mit Erkältungssymptomen, der Corona-Test beim Hausarzt war positiv. Nach einer Woche ging es ihm nicht besser, er fühlte sich kaputt und hatte anhaltend Fieber. Deswegen kam er zu uns ins Caritas-Krankenhaus. Auf den Röntgenbildern waren Zeichen einer beginnenden Lungenentzündung zu erkennen, wirklich schlimm sahen sie aber nicht aus. Einige Tage blieb sein Zustand im Wesentlichen unverändert: es ging ihm nicht richtig gut und er hatte immer wieder Fieber, die anderen objektiven Befunde erschienen aber nicht so schlecht. Beinahe dachten wir schon darüber nach, ihn wieder zu entlassen. Dann aber verschlechterte sich der Zustand von Herrn M. rapide. Er entwickelte schwere Atemnot, die Sauerstoffsättigung in seinem Blut fiel bedrohlich ab. Rasch wurde er auf die Intensivstation gebracht, wo wir ihn nur durch eine invasive Beatmung stabilisieren konnten. Nun zeigten auch das Röntgenbild und das CT Zeichen einer schweren Lungenentzündung. Zusätzlich wurde die bereits erkrankte Lunge durch einen bakteriellen Infekt geschwächt. Wir behandelten ihn also mit einem Antibiotikum, zusätzlich unterdrückten wir mit Medikamenten die durch das Virus ausgelöste überschießende Entzündungsreaktion im Körper. Auch sein Kreislauf musste medikamentös stabilisiert werden. Nach anfänglichem Auf und Ab sprach die Therapie an. Nach zwei Wochen Beatmung hatte sich die Lunge soweit erholt, dass Herr M wieder selbstständig atmen konnte. Stark geschwächt, aber stabil konnte er unsere Intensivstation verlassen.

Und nun das unverhoffte Wiedersehen. Ja, wie geht es ihm? Herr M berichtet, noch nicht ganz seine Leistungsfähigkeit von vor der Erkrankung wiedererlangt zu haben, im Großen und Ganzen sei er aber zufrieden. Seine Lunge funktioniert wieder gut, die Folgen von COVID-19 haben sich fast vollständig zurückgebildet. Er blickt optimistisch in die Zukunft und ist froh, diese Infektion überstanden zu haben.

Solche Begegnungen und Gespräche sind wohltuend. Auf der Intensivstation begleiten wir unsere Patienten durch eine sehr kritische Phase ihres Lebens. Wenn sie das Schlimmste überstanden haben, werden sie zur Weiterbehandlung auf die Normal-Station oder auch in Reha-Kliniken verlegt. Häufig sehen wir dann nicht mehr, wie die Patienten sich erholen und wieder zu Kräften kommen. Nun genau dies zu erleben und zu hören, dass es Herrn M wieder gut geht, gibt mir Kraft und Mut, auch die nächsten Patienten wieder mit vollem Einsatz zu behandeln.

Aufgezeichnet von Ute Emig-Lange.

Manuela Hartl, 04.03.2021

„Angst vor Corona-Mutationen“ – alle Zeitung und Nachrichtensendung sind zurzeit voll mit diesem Thema. Auch uns im Caritas-Krankenhaus bewegt das Thema, vor allem die Kolleginnen und Kollegen auf meiner Station, denn wir sind ganz nah dran: Auf unserer Station werden die Patientinnen und Patienten mit COVID-19 behandelt und diejenigen mit Verdacht auf eine Corona-Infektion, wenn das Testergebnis noch nicht vorliegt. Gerade jetzt, wo die Infektionszahlen etwas sinken und durch die Corona-Impfungen erste Erfolge im Kampf gegen das Virus zu verzeichnen sind, da hoffen wir hier natürlich alle, dass keine dritte Welle mit neuen Virusvarianten über uns hereinschwappt. Dies würde für unser Beruf- und Privatleben bedeuten, dass die Hoffnung schwindet, bald wieder ein halbwegs normales Leben zu führen.

Momentan stehen die Chancen gut, und ich erlaube mir deshalb heute, etwas optimistischer in die Zukunft zu blicken. Aktuell behandeln wir sechs COVID-Patienten und sechs Patienten mit Verdacht auf eine Infektion – ­ Tendenz hoffentlich weiter fallend. Für bis zu 25 infektiöse Patientinnen und Patienten hätten wir auf der Station Platz. Das heißt: für uns Pflegekräfte entspannt sich momentan die Lage ein wenig nach vielen sehr anstrengenden Wochen und Monaten mit einer teilweise vollen Isolierstation. Doch ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schnell sich das ändern kann. Die Zahlen schwanken täglich und wir wollen weiterhin vorsichtig bleiben.

Ich selbst habe keine Angst vor einem mutationsbedingten Patientenansturm. Wir auf der Isolier-Station haben in den vergangenen Monaten schon so viel Erfahrung gesammelt, wir wissen, wie wir mit den Patienten umgehen und uns selbst schützen können. Schwieriger für mich und mein Team ist die Tatsache, dass wir manchmal schief angeschaut und teilweise sogar gemieden werden, wenn andere hören, wo wir arbeiten. Das ist für uns emotional belastend. Denn wir achten penibel darauf, dass alle Schutzvorkehrungen und Hygienevorschriften eingehalten werden, damit keine Infektionen weitergetragen werden. Ich bin stolz auf meine Kolleginnen und Kollegen, die täglich hochmotiviert ihre ganze Energie in die Betreuung der Corona-Infizierten stecken. Denn durch das bestehende Besuchsverbot und die lange Zeit die unsere COVID-19 Patienten und Patientinnen auf Station bleiben müssen, werden diese ein Teil unserer Stationsfamilie. Man kennt sich, man schätzt sich und erzählt sich im täglichen Miteinander die persönlichen Ängste, Nöte und auch die Wünsche für die Zukunft nach Corona. Ich hoffe inständig, dass dieses positive Gefühl, dieser Glaube an wieder einkehrende Normalität nun nicht durch die viel gefürchteten Corona-Mutanten enttäuscht wird.

Aufgezeichnet von Jasmin Paul.

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