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Dr. Jutta Kappes: "Haben früh einen sehr guten Weg gefunden"

Intensiv und bewegend – die vergangenen Wochen haben von Dr. med. Jutta Kappes (Fotos Archiv), sowie allen beteiligten Ärzten und Pflegekräften immens viel abverlangt. Die Chefärztin der Pneumologie am Katholischen Klinikum Koblenz · Montabaur hatte nicht nur bei Patienten und Angehörigen, sondern auch bei ihren Mitarbeitern die Angst gespürt vor diesem Virus. Doch aus dem Fazit nach der ersten Phase der Pandemie – derzeit werden nur noch zwei Corona-Patienten am KKM stationär behandelt – ist auch ganz viel Hoffnung und Mut herauszulesen. Das Virus wird noch eine Weile bleiben, aber die Medizin hat schon jetzt viel „lernen“ können über Covid19.

Welches Zwischenfazit ziehen Sie nach der "ersten Welle" an Covid19-Erkrankten, die am KKM behandelt wurden?

Ich habe aktuell das Gefühl, dass wir glimpflich davongekommen sind. Aber wir waren auch sehr gut vorbereitet. Durch freigehaltene Krankenhauskapazitäten und das Ausbleiben von möglicherweise nicht beherrschbaren Patientenmassen, hat eine Überlastung glücklicherweise bislang nicht stattgefunden. Durch den frühen Austausch der unterschiedlichen medizinischen Fachdisziplinen, insbesondere mit den Kardiologen, Anästhesisten und Intensivmedizinern am KKM,  haben wir frühzeitig einen koordinierten Umgang mit der Erkran kung gefunden. Wir hatten schon Isolationswege für möglich infizierte Patienten geschaffen, bevor es Fieberambulanzen gab. Dazu hatten wir sehr früh eine klare Verfahrensanweisung zur Diagnostik und Therapie entwickelt, basierend auf aktuellen wissenschaftlichen Studien. Für die klinischen Erkenntnisse stand ich auch im kollegialen Austausch mit befreundeten pneumologischen Kollegen großer Lungenzentren, wie beispielsweise der Universität Heidelberg, Lissabon und Wien, sowie Pneumologen aus Italien. 

Wir haben klinikintern wöchentlich unsere Behandlungsstrategie interdisziplinär überarbeitet und entsprechend der aktuellen Studienlage das weitere Vorgehen angepasst. Teamworking und Networking sind wie so oft Schlüsselmomente für erfolgreiches Handeln.  Für  mich war es beeindruckend, wie die Kompetenzen der unterschiedlichen Fachbereiche ineinander gegriffen haben. Neben einer pneumologischen Expertise hat nicht zuletzt der enge interdisziplinäre Austausch uns durch die Krise geholfen. Gemeinsam ist man eben stärker. Leider bin ich jedoch auch davon überzeugt, dass wir mit dieser Erkrankung noch lange leben müssen, bis beispielsweise ein adäquater Impfstoff zur Verfügung steht und ich hoffe, dass dieses Wir-Gefühl uns auch über die Corona-Krise hinaus begleiten wird. 

Dr. med. Jutta Kappes (Foto Archiv)

Wie waren die Krankheitsverläufe? Und wie hat sich die Krankheit aus medizinischer Sicht für Sie dargestellt?

Das Ziel war es, diese neue Form der Lungenentzündung kennen zu lernen, zu beherrschen und so wenig Patienten wie möglich zu verlieren. Im Marienhof wurde bei 53 Patienten eine Infektion mit SARS CoV2 diagnostiziert, von denen 30 bei schwererem Verlauf und COVID19-Pneumonie (Lungenentzündung) stationär behandelt werden mussten. Der Krankheitsverlauf ist wirklich sehr variabel und durchläuft mehrere Phasen. Mich beeindruckte besonders die rasante Erscheinungsform.  Die kurze Zeitspanne, die es nur braucht, um einen leicht erkrankten Menschen mit Fieber und Husten in einen schwer instabilen Patienten zu verwandeln. Das ist sicherlich der Grund, warum weltweit so viele Patienten intubiert werden mussten, also künstlich beatmet wurden. Leider überleben die sogenannte invasive Beatmungstherapie bei COVID19 nur rund 10 bis 20 Prozent der Patienten. Aber wir sind bewusst einen anderen Weg gegangen und haben statt der initial empfohlenen frühen Intubation eine nicht invasive Beatmung durchgeführt. Außerdem haben wir in Deutschland das Glück, auch klinisch stabile Patienten mit Pneumonie stationär aufnehmen zu können und zu isolieren. Dies ermöglicht uns, den Krankheitsverlauf sehr genau zu beobachten. Zwar ging es vielen unserer Patienten bei der Aufnahme gut, aber der Zustand hat sich zum Teil sehr schnell verschlechtert. Ohne diese medizinischen Möglichkeiten wären aus meiner Sicht die Pneumonie sicherlich noch kritischer verlaufen.

Was konkret haben Sie in dieser Phase der Beobachtung gemacht?

Wir haben Atemtherapietechniken und nicht invasive Beatmungsmethoden genutzt, die in dieser Intensität in Italien oder den USA beispielsweise nicht möglich waren. Alle beteiligten Ärzte und auch ich sind mehrfach am Tag zu den Patienten gegangen, um den klinischen Zustand zu kontrollieren. Unsere Pflegekräfte haben sogar rund um die Uhr alle zwei Stunden die Atemfrequenz, die Temperatur und die Sauerstoffsättigung im Blut gemessen. All dies geschah immer unter vollständiger Schutzkleidung, was eine zusätzliche Belastung für alle Beteiligten war. Wir waren teilweise entsetzt über die Abfallmengen, die wir produziert haben. Uns war es aber wichtig, jegliche Veränderung schnellstmöglich zu entdecken. Hat sich ein Wert, zum Beispiel die Atemfrequenz, verändert, haben wir sofort reagiert - auch wenn der Patient noch stabil war und die Veränderung nicht gespürt hatte. Wir haben dann zum Beispiel eine nicht-invasive Beatmung sowie intensive Atemtherapie durchgeführt, mit dem Ziel eine invasive Beatmung zu verhindern. Durch den gewählten Beatmungsmodus ist es uns gelungen, die Durchlüftungsstörungen der Lunge zu verringern und eine zusätzliche positive Unterstützung der Pumpleistung des Herzens zu erzielen. Somit konnten wir meiner Meinung nach bei alten Menschen und Risikogruppen mit schweren Begleiterkrankungen einen komplizierten Krankheitsverlauf oder auch die  Notwendigkeit der invasiven Beatmung vermeiden.

Dr. med. Jutta Kappes (Foto Archiv)

Wie haben Sie die Covid-Patienten wahrgenommen? Wie sind diese mit der Erkrankung umgegangen?

Auch bei den leichten Infektionen war es für unsere Patienten eine sehr belastende Situation, keinen Kontakt zu ihren Angehörigen zu haben. Die Schutzmaßnahmen lassen wenig menschliche Nähe zu und das hat bei teilweise wochenlangen Krankheitsverläufen zu einer enormen psychischen Belastung geführt. Wir sind als Menschen soziale Lebewesen und besonders in Krankheitssituationen darauf angewiesen eben nicht alleine zu sein. Das macht Angst und mit diesen Ängsten wurden wir konfrontiert. Dies gilt auch für die Angehörigen, denn auch für die war die Situation sehr belastend.

Was war für Sie und Ihr Team besonders herausfordernd?

Am Anfang habe ich in meinem Team sehr viel Angst gespürt. Angst davor, mit der Erkrankung umzugehen, sich anzustecken und auch Angehörige anzustecken. Diese Angst konnte ich in vielen Gesprächen abmildern. Wir haben immer wieder mit Viren zu kämpfen, vor denen wir uns als Klinikpersonal adäquat schützen müssen. Das haben wir getan. Die erste Phase der Pandemie begann für uns zudem mit einer langen Planungsphase, in der wir uns damit befasst haben, Strukturen zu entwickeln. Als dann die ersten Patienten aufgenommen wurden, konnten wir von unseren detaillierten Vorbereitungen profitieren und unsere Patienten bestmöglich versorgen. Ich bin stolz, wie gut wir in der interdisziplinären Zusammenarbeit am KKM die erste Phase der Corona-Krise bewältigt haben. Dies zeigen auch unsere Überlebenszahlen. Allerdings, wie schon am Anfang gesagt, müssen wir weiter sehr vorsichtig sein. Dieses Virus wird uns noch lange beschäftigen und hat vielleicht noch einige Varianten zu bieten, die wir jetzt noch nicht abschätzen können.

Dr. med. Jutta Kappes (Foto Archiv)

Den Virus schon im Mundraum bekämpfen

"Dieses Virus verhält sich anders als bisher bekannte Viren in der Pneumologie", sagt Chefärztin Dr. med. Jutta Kappes.  "Umso wichtiger war es, viele Informationen zu sammeln in dieser ersten Phase." Das KKM hat zudem, soweit bekannt, als einziges Krankenhaus in Deutschland eine lokale Methode eingesetzt und angewandt, um es dem Virus schon im Mundraum "unbequem zu machen", wie es Dr. Kappes formuliert. Der Hintergrund: "Das Virus gelangt über die Rachenschleimhaut in den Körper, wo es sich zunächst reproduziert. Wir haben Lutschtabletten eingesetzt, die eine virustatische und bakterizide Wirkung haben. Die Idee war dadurch die Viruslast zu senken und somit einen milderen Krankheitsverlauf zu erreichen. Hier gilt es auch besonders der unserer KKM-eigenen Apotheke ein Dankschön für die fachliche  Unterstützung auszusprechen, damit wir das wirksamste Medikament entsprechend der bekannten Studienlage auswählen konnten. Außerdem haben wir durch die Unterstützung der Apotheke schon sehr früh die Medikamente für individuelle Heilversuche gewertet und auch bestellt. In der Summe konnten wir so, wie ich glaube, teilweise die Krankheitsverläufe positiv beeinflussen."

 
 

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