26.06.2020 | Krankenhaus Tauberbischofsheim
Der 26. Juni ist seit 33 Jahren der Welt-Anti-Drogen-Tag. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind etwa 25 Millionen Menschen weltweit drogenabhängig. Von Drogen wieder wegzukommen ist oft ein langer und schwieriger Weg, wie Dr. Mathias Jähnel, Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Krankenhauses Tauberbischofsheim berichtet. Allein im Tauberbischofsheimer Krankenhaus werden etwa 350 Süchtige jährlich behandelt. Im Interview geht der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Neurologie, Geriatrie, Suchtmedizin, genauer auf die Problematik einer Suchterkrankung ein.
Welche Rolle spielt das Thema Sucht im
Krankenhausalltag in der Psychiatrie?
Eine sehr
große Rolle. Allein in Deutschland gibt es zwei bis drei Millionen Suchtkranke.
Etwa 350 behandeln wir davon jährlich allein in Tauberbischofsheim. Das sind
aber nicht allein Drogensüchtige. Es geht auch um Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit
und - das ist relativ neu - um Spiel- und Internetsucht, sogenannte nicht
stoffbezogene Suchterkrankungen. Letztere schlagen sich aber nicht so stark in
der Statistik nieder. Bei Drogen- und Medikamentensüchtigen übernimmt unsere
Abteilung für Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie die
Entgiftung. Alkoholentgiftungen werden aber auch in der Abteilung für Innere
Medizin unseres Krankenhauses durchgeführt. Die Entgiftung findet in der Regel stationär
statt, da wir hier auch die körperlichen Folgen der Sucht und des
Suchmittelentzugs im Blick haben müssen, da lebensbedrohliche Komplikationen
auftreten können. Das ist sehr wichtig. Und da die Betroffenen nach der
Entgiftung oft sehr lange begleitet werden müssen, steckt hinter der
Behandlungsstrategie der Suchttherapie ein großes und gut vernetztes
Gesamtkonzept. Wir arbeiten mit vielen Partnern zusammen, die für die
Betroffenen in dieser schweren Zeit unheimlich wichtige Bezugspunkte
darstellen. Wir stehen mit unserer Entgiftungstherapie am Anfang eines langen
Weges aus der Abhängigkeit. Im Anschluss an die Entgiftung vermitteln wir in
Zusammenarbeit mit Suchtberatungsstellen Patienten in Spezialkliniken zur
Langzeittherapie. Die Sucht ist ein großes klinisches wie auch volkswirtschaftliches
Problem. Denn bei einer Langzeittherapie ist der Kostenträger die Renten- und
nicht mehr die Krankenkasse. Sehr wichtig ist die Zusammenarbeit mit
Suchtberatungsstellen, Selbsthilfegruppen und niedergelassen Ärzten. Sie bieten
den Betroffenen Anlaufstellen zur Suchtbewältigung. Wir unterstützen das und arbeiten
z.B. seit vielen Jahren eng mit der agj-Suchtberatungsstelle im
Main-Tauber-Kreis zusammen, die bei uns im Krankenhaus eine wöchentlich stattfindende
Sprechstunde anbietet.
Welche Effekte des Drogenkonsums sind
Ihnen aus der Arbeit mit den Patienten bekannt?
Aus psychiatrischer
Sicht können sogenannte drogenindizierten Psychosen auftreten mit
Wahnvorstellungen, starken Angstzuständen und Halluzinationen - auch bekannt
unter der Bezeichnung "Horrortrips". Daneben gibt es natürlich etliche
körperliche Probleme, die infolge einer Abhängigkeit entstehen. Beim Alkohol
sind das zum Beispiel schwerwiegende Leberschädigungen bis hin zur
Leberzirrhose oder Schädigungen des Nervensystems- bei anderen Drogen können
Herzschäden, Atemlähmungen, Nierenversagen oder auch schwerwiegende
Schädigungen des körpereigenen Abwehrsystems vorkommen.
Können psychische Erkrankungen eine
Drogensucht begünstigen?
Ja, auch umgekehrt kann eine Sucht als Folge einer psychischen Erkrankung entstehen. Das nennt man dann sekundäre Abhängigkeit. Häufig beobachten wir das zum Beispiel als Folge einer Depression oder verschiedener Angststörungen. Hier wird allerdings häufiger zu Alkohol oder Medikamenten gegriffen - weniger zu illegalen Drogen. Um das zu verhindern, sollten Betroffene nicht warten und sich bei psychischen Problemen in Behandlung begeben, bevor eine ernste Erkrankung oder eine Sucht daraus resultiert.