03.05.2020 | Das Caritas Bad Mergentheim
Beim Blick auf die vergangenen „Corona“-Wochen bleibt für Dr. Jochen Selbach vor allem ein positives Grundgefühl zurück: „Die Zusammenarbeit mit allen Berufsgruppen im Haus, mit den Ärzten aller Abteilungen, mit der Pflege, der Materialwirtschaft, der Hygiene, dem Labor, der Reinigung und die Abstimmung mit dem Direktorium liefen hervorragend, sehr fokussiert und pragmatisch. Das war – bei allem Stress – eine positive Erfahrung“, betont der Chefarzt der Medizinischen Klinik 3 im Caritas-Krankenhaus. Dies sei einer der Gründe, weshalb man im Caritas gemeinsam die Corona-Krise bisher so gut bewältigt habe. „Ein weiterer Grund ist sicher die gute Vorbereitung durch das COVID-19-Kernteam und die konsequente Umsetzung einer strikten Haltung, um Infektionen innerhalb des Hauses möglichst zu vermeiden.“
Schon Ende
Januar habe man im Caritas-Krankenhaus begonnen, sich auf die Aufnahme von
Corona-Patienten vorzubereiten. "Der erste Verdachtsfall am 8. Februar, die
Berichte aus Italien und das frühe Auftreten von Infizierten durch die
Bus-Rückkehrer aus dem Skiurlaub in Südtirol haben uns zusätzlich alarmiert und
dazu beigetragen, dass wir schon ab Mitte Februar Maßnahmen ergriffen haben",
blickt der Internist und Nephrologe zurück. Die interdisziplinäre, berufsübergreifende
COVID-19-Kerntruppe traf sich regelmäßig, meist täglich. "Von Anfang an standen
für uns in dieser Gruppe immer zwei Überlegungen im Vordergrund: Wie bereiten
wir uns auf das Worst-Case-Szenario in der Intensivmedizin, Notaufnahme und
Inneren Medizin vor, und wie schützen wir unser Personal und unsere Patienten
vor einer Infektion." Geprägt waren die
Planungen auch durch die ausreichende Sicherstellung von Schutzausrüstungen und
Beatmungsgeräten sowie durch viele einschneidende Maßnahmen zur Abschottung der
Klinik, um den Eintrag des Virus zu verhindern oder zumindest hinauszuzögern.
Die Arbeit der
Ärzte habe sich schnell komplett geändert. "Alle elektiven Eingriffe wurden
abgesagt, die Ambulanztätigkeit auf medizinisch dringend notwendige Fälle heruntergefahren.
Es ging darum, möglichst rasch freie Kapazitäten für die Aufnahme von
Corona-Patienten zu schaffen." Zunächst wurden einzelne Zimmer auf der Station
E2 als Isolierzimmer ausgewiesen, dann bald die komplette Station E2 für
COVID-19-Patienten geräumt, schließlich folgte das gesamte Bettenhaus E. Dr.
Selbach: "Wir waren der Entwicklung immer ein bis zwei Schritte voraus und
haben vorgesorgt."
Ende März kam es dann tatsächlich zum "Stresstest", so der Chefarzt. "Im Zentrum Innere Medizin hatten wir plötzlich einen massiven Personalausfall bei Ärzten und zugleich kam es zu einer Verdoppelung der Patientenzahl mit COVID-Erkrankten unter anderem aus einer Reha-Klinik in Bad Mergentheim. Vor allem die Intensivstationen waren stark beansprucht." Auch für ihn selbst sei dies "die Zeit mit der stärksten Belastung während meiner ärztlichen Tätigkeit in den vergangenen 28 Jahren" gewesen. SOPs für den Umgang mit der Erkrankung mussten formuliert, Verfahrensanweisungen geschrieben bzw. initiiert werden. Der Ärztepool musste nach Qualifikation und möglichen Risikogruppen gesichtet und die Dienstpläne neu eingeteilt werden. Dazu kam die Einweisung von fachfremden Kolleginnen und Kollegen in der Inneren Medizin. Die Herzkatheterbereitschaft musste umorganisiert und gemeinsam mit dem DRK die mögliche Verlegung von beatmeten Patienten per Hubschrauber oder ITW vorbereitet werden. "Es gab eine ständige intensive Kommunikation über alle Kanäle, per Handy, WhatsApp, E-Mail und in Telefonkonferenzen oder Besprechungen, und dann mussten Entscheidungen getroffen werden", beschreibt Dr. Selbach diese Tage. "Diese Situation haben wir mit großem solidarischem Einsatz der "Rumpfmannschaft" des ZIM und mit Unterstützung der Kollegen anderer Fachabteilungen gemeistert."
Dr. Selbach
lobt in diesem Zusammenhang die Verantwortlichen der Diabetes-Klinik, die mit
mehreren Ärzten und Pflegekräften, die Versorgung der COVID-19 Patienten im
Caritas-Krankenhaus unterstützten, ebenso wie einige ehemalige Ärzte, die
unbürokratisch Dienste und Funktionen übernahmen. Von Vorteil ist aus seiner
Sicht auch die enge Vernetzung zwischen Caritas-Krankenhaus und den
niedergelassenen Ärzten. "In meiner Doppelfunktion als Chefarzt im Caritas und als
Vorsitzender der Kreisärzteschaft war ich in viele Gremien eingebunden, und wir
konnten mit den niedergelassenen Kollegen, der Ärztekammer, der
Kassenärztlichen Vereinigung und dem Landratsamt gemeinsame Lösungen rasch
absprechen. Die kollegiale Zusammenarbeit mit Dr. Franz Hoch als
verantwortlichem Arzt für die Notfallpraxis der niedergelassenen Ärzte und
weiteren Kollegen hat hier ebenfalls sehr geholfen." Die frühe Einrichtung der
Abstrich-Stelle am Caritas-Krankenhaus und die spätere Verlegung auf den
Laurentiusberg in Tauberbischofsheim bis hin zur Einrichtung der Fieberambulanz
in der ehemaligen Tagesklinik in Bad Mergentheim konnten so konstruktiv
umgesetzt werden. Ausdrücklich
hebt Selbach auch die gute Zusammenarbeit mit dem Landrats- bzw. Gesundheitsamt
des Main-Tauber-Kreises hervor.
"Ich habe mir immer wieder die Frage gestellt: Übertreiben wir es im Caritas-Krankenhaus mit unseren Maßnahmen oder ist unser Handeln angemessen?", beschreibt Dr. Selbach das Ringen um die richtigen Entscheidungen. Von Anfang an sei das Bewusstsein stark gewesen, dass das Krankenhaus einen breiten Versorgungsauftrag zu erfüllen hat, der unter der Pandemie möglichst wenig leiden darf. "Wirklich abschließend kann man das erst im Nachhinein beantworten. Aber angesichts der bisherigen Entwicklung bin ich mir sicher, dass wir nicht übertrieben haben. Wir haben sehr früh konsequente Diagnostik in Richtung Covid-19 betrieben und großzügig getestet. Dadurch hatten wir nahezu keine Vermischung zwischen infektiösen und nicht infektiösen Patienten und Mitarbeitern und die Situation im Caritas-Krankenhaus immer unter Kontrolle. Und dies war und ist entscheidend - auch für eine vorsichtige weitere Öffnung des Krankenhauses für Nicht-COVID-Patienten, die nun ansteht."(ela)