Es soll Verspannungen lösen, Schmerzen lindern und den Körper straffen: Faszientraining ist einer der angesagten Fitnesstrends. Doch was sind überhaupt Faszien? Sportphysiotherapeut Raymond Valk erklärt, was sich hinter dem Trend verbirgt.
"Jede dritte Frage in unserer Praxis bezieht sich auf das Fasziensystem und Faszientraining", berichtet Raymond Valk. Der Sportphysiotherapeut leitet die Physiotherapiepraxis Sanitas in Bad Mergentheim."Ganz neu ist Faszientraining allerdings nicht." In der Praxis am Caritas-Krankenhaus mit acht Physiotherapeuten wird Faszientraining schon länger ergänzend zu anderen Übungen je nach Krankheitsbild in den individuellen Therapieplan mit einbezogen.Auch gesunde Menschen können von den Übungen profitieren.
Faszien sind flächige Bindegewebeteile, die Muskeln und Organe wie eine Art Hülle oder Haut umgeben. Auch Sehnen und Bänder zählen zum Fasziensystem. Dieses System besteht hauptsächlich aus kollagenen Fasern und Elastin, eine Kombination,die sowohl Flexibilität als auch Festigkeit bewirkt. Auf den Faszien finden sich feine Nervenenden, über die Informationen übertragen und viele Körperreaktionen - zum Beispiel die Gefäßerweiterung oder das Schwitzen - gesteuert werden.
Das Fasziensystem ist in drei Schichten aufgebaut: In die innerste Schicht sind die Organe eingebettet, zum Beispiel der Herzbeutel oder die Hirnhaut. Die tiefen Faszien umhüllen Knochen, Gefäße, Nerven und Muskeln. In und auf diesen Fasern befinden sich viele Nervenrezeptoren. Sie messen Druck, Schmerz, Temperatur, chemische Veränderungen und leiten diese Informationen weiter. Die oberflächlichen Faszien ummanteln Organe, Drüsen sowie Muskeln und grenzen diese ab.
Die Faszien müssen dehnbar sein, ohne dabei die Stabilität zu verlieren, und zugleich unversehrt und "heil" sein, damit sie als Barriere dienen können, also: eine durchlässige, übertragende und schützende Abgrenzung für optimalen Halt, Sicherheit und auch Bewegung. Durch falsche Haltungen oder dauerhafte Fehlbelastungen beginnen Faszien sich zu verändern. Sie können mit dem Muskel oder dem Gewebe der Umgebung verkleben und dann zu Schmerzen führen. Gezielte Übungen und Trainingsanreize durch Faszientraining können diesen Prozess wieder rückgängig machen.
Eine Verbesserung der Faszienbeweglichkeit kann durch besondere Massagen, Dehnungs- und auch Kräftigungsübungen erreicht werden. Hierbei sind Intensität,Geschwindigkeit und die Frage "Darf es wehtun?" wesentlich. Es muss jeweils individuell entschieden werden, trotzdem sind ein paar Grundsätze wichtig:
1. Die Bewegungen langsam und pulsförmig durchführen. Faszien sind spiralförmig angeordnet, daher besser langsam und länger anhaltend trainieren.
2. Ein individuelles und alltagsgerechtes persönliches Trainingsprogramm etwa mit einer Rolle oder einem Kinesiotape durch einen Physiotherapeuten erstellen lassen. Als Faustregel gilt: Etwa zweimal pro Woche jeweils circa zehn Minuten trainieren.
3. Vorsicht bei Schmerzen: Sie sind immer ein Warnsignal und sollten ernst genommen werden. Am besten den Physiotherapeuten ansprechen.
Fotos: Christel Nowak